Alle haben sich schon mindestens einmal, meist aber mehrfach, damit befasst: Anatomen, Präparatoren, Proktologen, Koprologen, Anologen, Sexologen, Psychologen, Neurologen, Krankenschwestern, Apotheker und Therapeuten. Kunstmaler hingegen? Höchst selten!
Simone lag in der Hängematte und träumte vor sich hin. Die Sommersonne schien ihr auf den Bauch – und sie fühlte sich äusserst wohl, etwa so, wie man das von Katzen vermutet, die sich auf Wellblechdächern wärmen. Sie trug ein weiss-gelb gestreiftes Spaghettiträger-Top. Die symmetrischen Streifen wurden über ihrem sportlichen, straffen Busen etwas auseinander gedehnt. Ihr Bauch lag frei; das Nabelpiercing glitzerte verführerisch. Simones knallenge Baumwoll-Shorts räumten die letzten Zweifel über ihre Figur hinweg – Simone war schlicht perfekt gebaut. Ihre gepflegten, nackten Füsse waren das Tüpfelchen auf dem i; Simone hatte ihre Nägel liebevoll mit Perlmutt-Lack verschönert.
Sie blinzelte in die Sonne und sah immer wieder zu Thies hinüber, der sich aufs Malen konzentrierte. Die Tür zu seinem Atelier stand weit offen, denn er wollte den warmen Tag nutzen, um seinen Künstlerraum zu belüften, Terpentinschwaden zu vertreiben, Sonne in sein Herz zu lassen und seine letzten Bilder trocknen zu lassen. Thies' Malereien waren eindrücklich. Sie strahlten eine gewisse Schwere aus – und Simone hatte spasseshalber schon mehrfach bemerkt, dass sich die Werke in Wohnungen depressiver Menschen wohl nicht so gut ausnehmen würden. Sie wusste aber um Thies' Talent und freute sich jedes Mal, wenn sich ihm eine Galerie öffnete und er zu günstigen Konditionen mal wieder eine Vernissage mit seinen neuesten Werken abhalten konnte. Simone war es auch schon vergönnt gewesen, eine kurze Begrüssungsrede zu halten. Sie war eine charismatische junge Frau und konnte Menschen zum Bildkauf animieren, die noch nie in ihrem Leben die Brieftasche für Kunst gezückt hatten.
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