Bin ich froh, endlich aus meiner Uniform raus zu kommen. So sehr ich mich gefreut habe, wieder einmal nach Singapur zu fliegen, an 14 Stunden Flugzeit werde ich mich wohl nie gewöhnen, auch wenn sich die Ruhezeit an Bord für uns Stewardessen verlängert. Der Flug war ruhig, fast langweilig. Auf der Fahrt zum Hotel schlief ich in dem klimatisierten Crewbus gleich ein und bekam weder den Berufsverkehr noch die Menschenmassen auf den Straßen mit. Das neue Crewhotel macht einen hervorragenden Eindruck wie alle Hotels in Fernost, die die Firma für uns ausgesucht hat. Ungeduldig warte ich auf den Bellboy mit meinem Koffer, um endlich duschen zu können und mich im Bett zu verrollen. Ich hab sogar ein Eckzimmer mit zwei Fenstern, und es ist noch taghell, als ich einschlafe. Die Blase drückt, und es nützt nichts, ich muss aufstehen. Es ist zwei Uhr morgens, ich hab acht Stunden geschlafen. Schlaftrunken und mit halb geschlossenen Augen biege ich nach links zum Bad. Hinter mir fällt die Tür ins Schloss. Dann schrecke ich auf und bin verwirrt: ich stehe im Gang vor meinem Zimmer. Ich versteh noch immer nicht: es geht doch immer nach rechts oder links ins Bad und geradeaus zum Gang. Aber bei diesem Eckzimmer ist es eben umgekehrt. Langsam werde ich ganz wach. Ich stehe hier nackt am Ende des Ganges und muss ganz dringend. Und nirgends steht ein Blumenkübel, in den ich hineinstrullern könnte. Ich versuche mich an die Rezeption zu erinnern, ob ich da unbekleidet einen Ersatzschlüssel verlangen kann. Für mich ist die Überwindung nicht so groß, ich hab jahrelange FKK-Erfahrung, außerdem ist mir in Rio mal sowas ähnliches passiert. Das war dann auch halb so wild.
Ich joggte da frühmorgens am Strand im Bikini, um danach im Meer mit den Wellen zu spielen. Der Seegang war heftig. Aber ich hatte den Dreh schnell heraußen: nach sieben Wellen kam eine große, bei der ich besonders aufpassen musste. Nur stimmte dieses Muster nicht immer. Es kam eine große Welle, die hatte ich im Griff. Ich tauchte unter und sah danach eine viel größere Welle auf mich zukommen. In meiner Panik wollte ich in Richtung Strand rennen, doch durch den Sog der alten Welle lief ich nur auf der Stelle. Das Wasser krachte über mir zusammen und schleuderte mich wie Treibgut ins flache Gelände. Dabei verlor ich beide Bikiniteile. Weitab glitzerte mein rotes Unterteil, aber sonst fand ich nichts mehr. Macht nichts, ich legte mich an dem noch menschenleeren Strand auf den Bauch. Jemand von der sportlichen Cockpitcrew würde schon bald vorbeijoggen und mir ein T-Shirt besorgen. Ich wartete bestimmt schon über eine Stunde und die Sonne fing zu brennen an. Wer Brasilien kennt, weiß, dass es außerhalb des Karnevals nicht in Ordnung ist, oben ohne durch die Gegend zu laufen. Es war inzwischen jedoch aussichtslos auf Hilfe zu warten. Also stand ich auf und tat so als ob das ganz normal wäre. Ich ignorierte die Blicke, die zwischen Bewunderung und Verachtung lagen, und überquerte die vierspurige Straße zum Hotel. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Straßenpolizist seine Pfeife verlor und einem armen Hotelangestellten die eingesammelten Kakerlaken wieder auskamen, weil er mir zu lang nachgeschaut hatte. Es war halb neun und Hochbetrieb an der Hotelkassa. Ich betrat die Lobby und 200 Leute verstummten. Die Menschenmenge teilte sich wie das Rote Meer vor mir, während ich auf die Rezeption zuging und meinen Zimmerschlüssel verlangte. Das bemerkenswerteste jedoch war, dass ich noch Jahre später in diesem Hotel mit größter Aufmerksamkeit und Höflichkeit behandelt wurde.
Singapur
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