Das Spitzennachthemd

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Das Spitzennachthemd

Das Spitzennachthemd

Anita Isiris

Ich gehe selten aus zurzeit. Zu düster sind die Wolken, die sich über meiner verarmten Familie zusammenziehen. Und doch reizt es mich dann und wann, mich zu zeigen. Öffentlich. Ohne Tabus.

Von meiner Grossmutter habe ich bloss ein Spitzennachthemd geerbt. Frisch gestärkt, in blütenreinem Weiss. Hier in der Stadt würde das Weiss rasch einem Grauschleier weichen, wusste ich. Dennoch: Ich musste in dem Teil raus.

Ich machte mich vor dem halbblinden Spiegel hübsch. Cajal. Etwas Rouge. Deoroll unter die Achseln. Da ich von Natur aus schön bin, braucht's nicht mehr, um meine Vorzüge zu unterstreichen. Mein schwarzes Haar glänzte verführerisch, und ich trug eine kleine, aber wirkungsvolle Perlenkette um den Hals.

Das Spitzennachthemd würde den Männern da draussen den Rest geben. Wilde waren es, Chaoten, Anarchisten, die das Versagen der Regierung mit Vandalismus bekämpften. Gestaute sexuelle Lust, sublimiert in Aggression. Aber sie würden mich in Ruhe lassen.

Ich streifte mir das ehrenwerte Kleidungsstück also über – mit nichts drunter, wie sich das bei Nachthemden gehört. Ich ging barfuss. Im Erdgeschoss hatte ich sofort den Souvlaki-Duft der Imbissbude um die Ecke in der Nase. Da musste ich hin. Ich hatte nur noch wenige Euros in meiner Handtasche, aber genug für etwas Retsina, mit dem ich die Souvlaki runterspülen würde.

Aus stummen Gesichtern wurde ich angestarrt, ausgezogen. Wollte ich das? Ja, ich wollte. Ich wollte das Kopfkino anwerfen in diesen verrohten Männern, die nur noch herumlungerten und plünderten. „Hey“, wollte ich ihnen sagen. „Seht her. Es gibt noch Hoffnung. Hoffnung auf etwas Romantik vielleicht, auf einen flüchtigen Kuss, bei gegenseitiger Sympathie auf einen Blick unters Spitzennachthemd.“

„Es gibt nicht nur Arbeitslosigkeit, Abgründe, Burn-Out, Hass und eine marode Regierung. Es sind auch noch Mädchen da. Mädchen wie ich. Beten hilft auch nicht weiter. Beten zur Akropolis, meine ich. Zum Parthenon. Zum Nike-Tempel. Beten zu Zeus und Hera. Was Euch im wahrsten Sinne des Wortes hochbringt, Ihr Männer, ist der kleine Hoffnungsfunke gleich um die Ecke. Ein kleiner Vogel, der zwitschert. Eine Blume. Ein blühender Kaktus. Ein Spitzennachthemd.

Das Hemd hatte einen sehr tiefen Ausschnitt; meine Grossmutter hätte sich damit niemals in der Öffentlichkeit gezeigt. Bestimmt hatte es sie es nur an, wenn es ganz, ganz dunkel war. Dann durfte mein Opa an sie ran, seine rauen Fischerfinger über die Bordüren gleiten lassen – und über alles, was unter dem Stoff lag.

Ich stand auf, zahlte am Tresen und machte mich auf den Weg zum kleinen Park mitten in der Plaka, der Altstadt Athens. Die Blicke verfolgten mich, neue kamen hinzu. „Wohin des Wegs, junge Frau?“ Ein Betrunkener. Ansonsten machte mich keiner an. Sie schauten nur. Bestimmt waren meine Po-Konturen auszumachen. Der Stoff war zwar fest, aber der Wind presste ihn mir zwischen die Pobacken.

Im Park las ich ein Buch. „Blaufeuer“. Ein Krimi. Ganz weit weg von hier. Ein Krimi aus dem Norden. Helgoland kommt darin vor. Eine Werft. Eine Familiengeschichte. Ich liebe so was.

Mit angezogenen Beinen sass ich auf der einzigen freien Bank. Ja, mit angezogenen Beinen. So was tut eine stolze Griechin eigentlich nicht. Aber ich wollte den Sommerwind zwischen meinen Beinen spüren. Ein Ball flog auf mich zu und rollte unter meine Bank. Ein gut aussehender Jugendlicher schoss hinterher und klaubte das Leder unter meiner Bank hervor. Seine Augen saugten sich fest. Dort, wo meine Schenkel zusammentrafen. Sein Blick sagte alles. „Oh Mann, Süsse... Calispera“ „Calispera“, sagte ich.

Kurz darauf rollte der Ball wieder auf mich zu. Ein Junge in einem roten T-Shirt holte ihn sich. Schaute hemmungslos zwischen meine Beine, errötete, was mir nicht verborgen blieb. „Calispera“, sagte ich. „Guten Nachmittag.“

Mein Unterleib war schwer und warm. Sex habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehabt. Mit wem auch? Ich mochte die Zukunftssorgenfalten in den Gesichtern der Männer einfach nicht – mich törnt so was ab.

Die fussballspielenden Jungs hier waren bestimmt auch alle arbeitslos – aber sie kickten unbeirrt das Leder und freuten sich offensichtlich an einer jungen, schwarzhaarigen Frau im Spitzennachthemd. Auch „da unten“ bin ich natürlich schwarzhaarig.

Noch drei Mal rollte der Ball unter die Bank, auf der ich sass und „Blaufeuer“ las.

Die hungrigen, neugierigen, offenen und hemmungslosen Blicke der jungen Männer machten mich an. „So schaut doch hin“, flüsterte ich im Zwiegespräch mit meinem spannenden Buch. Schaut sie Euch an, Eure kleine geile Spitzennachthemdnutte mit dem krausen, schwarzen Schamhaar. Bewundert meine Muschi, lernt meine rosa Spalte lieben. Ich bin da, da für Euch, auf dass Ihr Euch an mir delektiert. Auf dass Ihr Eure geile Schriftstellerin Anita Isiris liebt, ehrt und würdigt.

Auf dass Ihr wieder an die Zukunft glaubt.“

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