Zufrieden trocknete Timo seine Hände ab. Langsam ging er um das MG-Cabrio aus dem Jahr 1965. Der in British-Racing-Green lackierte Oldtimer glänzte im Neon-Licht der kleinen Werkstätte. Unzählige Arbeitsstunden waren in die Restauration geflossen und nun sah das Fahrzeug aus wie neu. In den nächsten Tagen würde eine Spezialfirma das neukonstruierte Verdeck liefern und dann würde er Bridget auf eine Spitztour mitnehmen.
Timo war Mechaniker und Besitzer einer kleinen, unabhängigen Autowerkstätte. Und wenn Timo es nicht mit seelenlosen Massenprodukten aus den Fahrzeugfabriken der großen Konzerne zu tun hatte, sondern mit Kostbarkeiten wie dieser hier, musste er an Bridget denken. Schöne Autos triggerten angenehme Gedanken an Bridget. Was kein Wunder war, denn Bridget war als Frau so exotisch wie dieses kunstvoll designte Auto. Ihre Hände waren nicht ölverschmiert, sondern perfekt gepflegt, inklusive erstklassig manikürter Nägel. Sie drückte sich gewählt aus, war souverän auf jedem gesellschaftlichen Parkett, ungemein selbstbewusst und außerordentlich attraktiv. Diese Bridget wusste, wie sie auf Männer wirkte – oh ja, und wie sie es wusste! Daran konnte kein Zweifel bestehen. Ihr ausgeprägter Stolz, ihre an Arroganz grenzende Souveränität, das kokette Spiel mit ihren körperlichen Vorzügen, die gekonnte Inszenierung der Luxusartikel, die sie trug und mit denen sie sich umgab - das alles faszinierte und irritierte Timo. Auf eine gewisse Weise stellte Bridget eine Provokation für Timo dar. Er war aus der Arbeiterklasse. Er machte sich bei der Arbeit schmutzig und duftete nicht nach La Vie est Belle. Er trug keine Stiefel im Wert von mehreren Tausend Euro. Eigentlich war Bridget der Klassenfeind: zu dekadent, zu wohlhabend, zu erfolgreich – unantastbar.
Nein, unantastbar war Bridget nicht.
Spritz-Tour
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