Stallgeflüster

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Stallgeflüster

Stallgeflüster

Johannes Seilmann

„Wie lange war ich schon in keinem Stall mehr.“
Das war ihr erster Satz, als sie durch das Tor in den Stall trat. Es war ein heller, warmer Frühlingstag. Sie hatte den weiten Weg auf sich genommen, weil sie sehen wollte, wo ich arbeitete und von wo ich ihr die SMS schrieb, die meine Klienten besser nicht zu lesen bekamen. Jetzt war Wochenende, niemand war sonst am Stall. Ich hatte sie eingeladen zu einer Besichtigung.
Sie ging in die Stallgasse und sah sich um. An den Türen der Boxen standen Schilder, auf denen der Name des Pferdes stand, außerdem Geburtsdatum und Rasse.
„Hier sind fast alles Stuten, oder? Die Namen klingen so.“
„Ja“, bestätigte ich. „Das ist ein bisschen Zufall, aber wir haben nur einen Wallach hier. Alle anderen Pferde sind Stuten.“
Sie lachte mich an.
„Du bist wohl gerne von Stuten umgeben, oder?“
Jetzt musste ich auch lachen. Aber augenblicklich lag was in der Luft. Jedes Wort, jede Bemerkung hatte eine zweite Bedeutung, deutete auf unsere gemeinsame Lust hin. Nun, wo wir uns endlich trafen, war uns beiden klar, dass wir nicht nur Kaffee trinken würden. Und meine Frage war nicht: Zu dir oder zu mir? Meine Frage war, würde sie meine Phantastereien mitmachen. Ich hatte als Szenario mit Absicht den Stall gewählt.
„Normalerweise ist ja hier im Stall nicht viel los. Aber vor ein paar Wochen hatten die Stuten Herrenbesuch. Wir möchten nächstes Jahr ein Fohlen haben.“
Ich erzählte, wie der Hengst ein paar Tage zunächst hier im Stall war und die ausgesuchte Stute dann auf der Koppel mit ihm zusammen sein durfte.
„Der Hengst war hier im Stall? Mit den anderen Stuten auch zusammen?“
Sie sah mich fragend an.
„Ja, er sollte ja für die entsprechende Stimmung sorgen“, gab ich lächelnd zurück.
„Wo war er denn“, fragte sie, als habe sie meine Gedanken lesen können. Vielleicht konnte sie das tatsächlich. Vielleicht hatte sie auch einfach die gleichen Ideen im Kopf wie ich.
Ich spürte, wie mein ganzer Körper auf ihre Gegenwart reagierte. Ihre Stimme, die ich schon am Telefon sehr angenehm fand, tat ihren Teil. Und ihr Äußeres kam meinen Gedanken sehr entgegen. Sie war etwa so groß wie ich, trug kurze dunkle Haare. Ihre Körperhaltung hatte eine gewisse Spannung, die auf sportliches Training schließen ließ. Und sie trug, eigentlich gewagt in dieser Jahreszeit, einen engen Jeansrock und eine Bluse. Beides gefiel mir und es kam mir sehr entgegen bei dem, was ich im Sinn hatte.

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