Steintreppen zum Eingang

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Steintreppen zum Eingang

Steintreppen zum Eingang

Ferdinand Freiherr von der Ferne

Helltönende kurze Schritte hallen aus einem Treppeneingang heraus, gut hörbar, denn es ist dunkle Nacht und kein Regen fällt. Der Mond ist voll, wie immer dann, wenn etwas kommt, unerwartet. Die Schritte biegen ein, in die Straße die menschenleer ist zu dieser Zeit und den Schmutz nicht sehen läßt, der tagsüber sich aufdrängt. Weiblich sind nicht nur die Schritte, noch mehr sind es die Beine, deren schwarze Strümpfe heraufreichen bis zum Schritt, und dieser, durch nichts weiter bekleidet als von einem kurzen Rock, straff und eng um die schlanken Hüften gespannt. Doch seltsam weiblich scheint die Person selbst zu sein: Das blasse, ja beinah weiße Gesicht zeigt seltene Schönheit. Der leuchtend rot geschminkte Mund bringt die gleichen wild-verlangenden Züge hervor, wie die bestechend schwarz umrandeten Augen, die zusammen mit dem Mund einen Ausdruck ergeben, der jedem Mann bei deren Anblick wohl schwer atmen lassen wird. Mit ihrer kurzen Lederjacke, die ebenso schwarz ist wie ihre übrige Kleidung und das lange Haar das sie offen trägt, wirkt sie nicht gerade wie jemand, die ihr Ziel nicht kennt. An Autos vorbei die wie einsam dastehen, geht sie sehr wohl gerade ihrem Ziel entgegen, eilig. Trübe Straßenlaternen und der hell scheinende Mond beleuchten ihren Weg.
Endlich, für sie, zeigen sich menschliche Gestalten am Ende einer Straße die auf einen kleinen Platz zuläuft, der von hohen Häusern umgeben ist. Ihre Schritte verlangsamen sich und sie erkennt Frauen, dicht vor den Häusern stehend, teils daran angelehnt, und Männer, langsam gehend. Einige stehen und reden mit einer der Frauen. Sie, die jetzt ganz nah diesen Menschen gekommen ist, wird von den Frauen feindselig, von den Männern neugierig und interessiert angeschaut. Es ist einer dabei, der, recht jung noch, doch mutig genug, ihr entgegentritt um sie direkt anzusprechen. Sie bedeutet ihm mit ihr mitzugehen, weiter, eine andere Straße entlang, was er willig tut. Verschämt greift er mit seinem Arm um ihre Hüfte, was sie gewähren läßt – und schon sind sie allein, für sich, immer weiter weg von den anderen.
Es geht dann bald herauf, die Steintreppe zum Hauseingang, bis hinein in ein Zimmer, das spärlich beleuchtet, von einem schweren herben Geruch erfüllt ist und in dem er nicht viel mehr sieht, als ein großes metallenes Bett. Er, der recht hübsch und dabei kräftig gebaut ist, sieht sich nur kurz um, dann aber in die Augen dieser Frau, die ihn – ihre Hände auf seinen Schultern – auf das Bett drückt. Und er, so dasitzend, sieht weiter, wie sie sich langsam, sehr langsam, vor ihm zu entkleiden beginnt. Während sie ihn weiter anschaut, bedeutet sie ihm durch ein kurzes rasches Emporheben ihres Kinns, es ihr gleich zu tun. Nur zögernd kommt er dieser Aufforderung nach, allzugroß erscheint ihm ihre Dominanz. Doch andererseits ist es gerade das, was ihn so fasziniert an ihr. Es ist so ganz anders, denkt er noch für sich, als er weiter zusieht wie sie sich Stück für Stück von ihrer Kleidung befreit – und er, fast schon gänzlich ausgekleidet, war wohl zu schnell – ihr vorgekommen, übereilt – zu groß ist seine Aufgeregtheit. Er weiß nicht zu sitzen, er weiß nicht zu liegen, er weiß nur zu sehen, angespannt, transpirierend schon – wie er jetzt feststellt, daß sich unter ihrer Lederjacke nichts anderes, als diese schöngeformten kleinen Brüste befanden. Und wie er dann sehen muß, mit welcher Kunst sie sich ihres Rockes entledigt, der wohl die mit schwarzer Spitze besetzten Enden ihrer Strümpfe freilegt, aber sonst kein weiteres Kleidungsstück – da kommt ihm ein tiefes Atmen an. Was kann er noch denken?
Nur sehr langsam wird ihm sonderbar klar, daß sie weder überhaupt mit ihm gesprochen, noch ihre Forderung gestellt, geschweige eingefordert hat. Auf seine Frage hiernach, schließt sie halb ihre Augen und öffnet halb ihren schönen Mund zu einem Lächeln. Er kenne ihre Sehnsucht nicht und nicht ihr Verlangen, doch wenn er diese stillen würde, wäre ihr das genug – so ihre Erwiderung – fast leise und gedämpft, mit einer wohltönenden Altstimme – was ihm ein trockenes Schlucken und einen schnelleren Pulsschlag verursacht.
Wie wird mir, hab ich heute Glück? – So denkt er bei sich, als seine Hände sich schon ihren nackten Bauch emportasten, dem Busen entgegen. Wie kalt ihr Körper sich doch anfühlt – oder ist es der kalte Schweiß meiner Hände?
In das stark abgedunkelte Zimmer scheint das Mondlicht deutlich durch das Fenster – und so läßt die Blässe ihres Körpers, sie wie eine nächtliche Lichtgestalt erscheinen. Langsam nähert sie sich dem Bett auf dem er, auf dem Rücken liegend und sie beobachtend, nichts weiter tun kann, als wahrnehmen – diese auf so seltsame Weise berauschende Atmosphäre. Sie nimmt sich Zeit sich ihm zu nähern indem sie sich vor das Bett kniet, scheint es zu genießen, zu beobachten wie sein nackter Körper mehr und mehr leicht zu zittern scheint, vor allzu angespannter Erregung. Und wie er dann ihre kalte Zunge auf seinem Bauch spürt und ebenso ihre Hände, die gleichzeitig seine Brust berühren, da zuckt er tatsächlich mit seinem gesamten Körper und ein unheimliches Gefühl durchdringt sein Inneres. Ihre Zunge gleitet gierig über seinen Oberkörper, bis herauf zu den Schultern. Seine Haut, die jetzt von einer kühlen Feuchte benetzt ist, verursacht ihm einen heftigen Schauer. Ihm ist wie das glühende Eisen, das ins Wasser getaucht wird. So auch erhärtet sich das körperliche Zentrum seiner Lust – fest und steif steht es in lustvoller Erwartung.
Es vergehen höchstens ein, zwei Augenblicke, da sitzt sie auch schon rittlings auf ihm, und schon sind sie auch miteinander vereint. Sein Zittern ist jetzt beinah wie in einem epileptischen Anfall, da er bemüht ist – hinauszuzögern – schwerlich nur, doch wunderschön – denn er verspricht sich längere Wonnen, ein größeres Ende.
Ihre Hände, fest auf seine Brust gelegt, richten sich jetzt auf, und ihre Fingernägel fahren herunter und graben sich in seine Haut. Und urplötzlich, gleichzeitig mit einem helltönenden Zischlaut aus ihrem Mund, zeigen sich blutige Kratzspuren, die ihre Augen blitzartig groß werden lassen. Ihm kommt dabei ein Stöhnen an, langgezogen und gedehnt – Das ist – so also, gut! – gibt ihm sein Denken ein – und in seliger Erwartung auf das, was er alles noch vor sich wähnt, schließt er die Augen und spürt, wie sie die blutigen Spuren ihrer Lust aufleckt. Hier ergreift er zärtlich ihren Kopf und gleitet mit seinen Händen weiter über ihren Nacken, bis herunter auf ihren Rücken. Ich muß ihren Körper reiben, sie ist noch immer so kalt – und ein heftiges Auf und Ab seiner Hände über ihren nackten Rücken begleiten seine triebbeseelten Gedanken.
Sie müsse ihren brennenden Durst stillen. – Diese Einflüsterung ihrer Lippen ist ihm wie eine herbeigerufene Unterstützung seiner Begierde. Sie beugt ihr Gesicht jetzt ganz über das seine und drückt ihre Lippen fest auf seinen geöffneten Mund. Dabei schieben sich ihre Hände hinter seinen Kopf, um so den Druck noch verstärken zu können. Schwer atmend hält sie für kurz inne, schaut ihn wie entrückt an und sagt ihm noch was von einem neuen, dunklen Leben, ein frisches Leben, was für sie beide nie aufhören würde – sie stöhnt verhalten – er solle nichts fürchten – einst fühlte sie selbst diese Schmerzen, die er – und wieder graben sich ihre Fingernägel in sein Fleisch, in das seiner Schultern, seiner Oberarme – und wieder leckt sie die roten Rinnsale – bis sie sich wieder leicht aufrichtet, über ihm ist, auf ihm sitzt.
Der Anfang der übersinnlichen Ekstase zeigt sich durch die blutigen Hautfetzen an ihren Fingernägeln. Sie beugt sich noch einmal zu ihm herab, hält ihn fest bei den Schultern, küßt seinen Hals, leckt ihn, öffnet noch weiter ihren Mund, so daß sich ihre Lippen über ihre Zähne erheben – Sein warmes Blut quillt stark hervor, und obschon sie zur Stillung ihres Verlangens bestrebt ist, nach dem Bißkuß das sämtliche Blut, das ihr so süß ist, in sich aufzunehmen, strömt es doch zu stark, denn kleine Rinnsale laufen ihm vom Hals herab auf seine Brust.
Ihm ist als öffneten sich die Pforten des Himmels und der Hölle gleichzeitig. So vereint mit dieser Nachtgestalt – engelsgleich geküßt, teuflisch gebissen – ist vor Wonne vergehen und sterben zugleich.
So stöhnt er voll Entsetzen, voller Lust, als er sie ansieht, wie sich jetzt noch einmal über ihm aufrichtet.Es ist kein Lachen das sie zeigt, da sie, den Mund weit öffnet – ihre Mundwinkel ziehen sich so in die Höhe, daß sich ihre überlangen, blutroten Eckzähne zeigen. Ihre Begierde scheint gestillt, Reste von Blut triefen ihr aus den Mundwinkeln, rinnen herab über ihre himmlischen Brüste und trocknen noch dort, während er schon gestorben ist.

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