Stoaalm

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Stoaalm

Stoaalm

Michael Müller

"Früher" sagte der Wirt und lachte "da war alles besser und ich war jünger! Edelweiß pflücken für meinen Schatz war ich. Das war schon damals streng verboten – Naturschutz – aber hier bei uns pflücken die Burschen noch immer ein Edelweiß für ihre Liebste. Selbst den Gendarm hab ich in der Wand klettern gesehen – das war drei Tage vorm Kirtag! Edelweißpflücken und Wildern hat hier bei uns noch Tradition. Ja aber ich will sie nicht länger aufhalten. Einmal noch trinken und dann – Berg Heil!" Der Wirt füllte nochmals die Gläser, sie prosteten einander zu und tranken sie in einem Zug leer.

Die beiden Männer verabschiedeten sich von einander und er begann die letzte Etappe seiner Wanderung.
In etwa drei Stunden sollte er einen Bergsee in der Nähe der in der Karte als verfallen bezeichneten "Stoaalm" erreicht haben. Dort wollte er Rasten und eine Mahlzeit kochen. Dann rechnete er noch mit rund fünf Stunden um den Gipfel zu erreichen.
Wenige hundert Meter von der Hütte entfernt begann der Weg steil anzusteigen. Dem Gelände folgend wand sich der Bergpfad dem Plateau auf dem der See lag zu. Bald schon lag die Baumgrenze hinter ihm. In südliche Richtung, dem Verlauf des Weges entgegensetzt, öffnete sich das Tal. Wenn er kurz anhielt und sich umwandte bot sich ihm ein beeindruckendes Bild der Bergmassive dar. Schneefelder leuchteten in der Sonne und die Luft war klar und roch würzig nach den erblühenden Blumen.
Schon seit längerem hatte er das Almgebiet hinter sich gelassen. Der Klang der Glocken der weidenden Leittiere – Rinder und Schafe aber auch einige Ziegen – war nicht mehr zu hören. Dafür pfiffen jetzt Murmeltiere ihre Nachrichten von Bau zu Bau und Dohlen zogen krächzend ihre Kreise.
Der Bergsee lag nun vor ihm. Die letzte Strecke des Weges führt leicht abfallend in die Senke. Nach einem Blick auf seine Uhr stellte er zufrieden fest, dass der Aufstieg keine, so wie er gedacht hatte, drei Stunden gedauert hatte.

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