Ihr Herz arbeitet auf Hochtouren, pumpt atemlos das Blut durch die Adern.
Noch gehört der Abend ihrer Fantasie. Sie sieht sich die Treppen hinaufgehen, Franz-Josef-Straße 29, Altbau, 3. Stock. Leise knackende Stufen, begleitet von seinem Ohr, oben an der Tür. Er hat alles vorbereitet.
Bisher ist er nur eine Stimme. Eine Stimme mit norddeutschem Klang, die schlimme Dinge sagt. In seiner Wohnung gebe es Verhaltensregeln.
Er hat aufgelacht, als sie "Es ist gut, wenn du weißt, was du willst" gesagt hat. Daran brauche sie nicht zu zweifeln.
Und das mache ihm Spaß? - Ja, das mache ihm Spaß.
Er entschuldigt sich ("Nicht erschrecken") und redet los. Gefällt dir das? fragt er hin und wieder zwischendurch.
Sie sagt -Ja. - Ja. - Hmmmjaa. -
Ohjaaa, streckt sich auf dem Sofa im dunklen Zimmer aus und spürt, dass es für sie eine Droge ist. Eine Droge, die euphorisiert wie Alkohol, die Schwere und Traurigkeit verjagt.
Sie muss an das Telefongespräch denken, als sie am nächsten Tag auf dem Weg zu ihm ist. Plötzlich fliegt der Zug durch die Nacht, donnert er in die Bahnhöfe, rumpelt er über die Schienen. Sie hat schlafen wollen und doch immer wieder an den Fußboden seiner Wohnung gedacht, über den sie kriechen würde, die Ellenbogen auf dem Boden. An sein Bett mit Stahlpfosten. An Nächte, gefesselt in seiner Wohnung, umgeben von städtisch brodelnder Luft.
Er wäre irgendwo da draussen, beim Bier mit Freunden. Und sie doch so sehr für ihn existent wie für niemanden niemals zuvor.
Er! Vielleicht steht in drei Stunden eine fette Kaulquappe in der Tür. 33 Jahre, 1,87 Meter, mit Glatze und Brille. Vielleicht ist das, was ihren Körper zurzeit euphorisiert, dann wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht sinkt bleierne Schwere auf die Situation hinab, und sie sagt: "Ich glaube, das passt doch nicht so mit uns beiden..."
Vielleicht aber auch...
Vielleicht...
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