Süchtig

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Süchtig

Süchtig

Kai Beisswenger

„Kommt gut an und grüßt Omi lieb von mir!“ Sie schloss die Tür. Ihr Mann startete den Motor und sie winkte ihnen noch mal durchs Küchenfenster zu. Geschafft! Sohnemann samt Ehemann waren aus dem Haus. Endlich konnte sie die Rolle wechseln und ins nächste Drehbuch schlüpfen.

Sie duschte ausgiebig und schminkte sich anschließend so, wie es ihr Mann niemals gemocht hätte. Und er war auch kein Freund der Bustier-und Tanga-Versuchung, die sie sich überstreifte. Im Bett setzte er eher aufs Altbewährte, anstatt auf gemeinsame Entdeckungsreise zu gehen. ‚Selbst dran schuld, mein Kleiner – du weißt nicht, was dir entgeht’, ging ihr durch den Kopf.

Die enge schwarze Hose, die ihren Po viel knackiger verpackte als ihre Allerweltsjeans, sowie die weiße Seidenbluse, die mehr zeigte als sie verbarg, hätten ihm ebenso wenig gefallen, wie ihre aufreizende Pose, die sie vor dem Spiegel probte. Das Haar trug sie nun offen.

Sie warf dem Hochzeitsfoto noch eine Kusshand zu, öffnete die Haustür und lief die zehn Meter zur Garage. Es war dunkel und keiner der Nachbarn war am Fenster zu sehen.

Diese Spießer sollen ruhig „DSDS“ oder ähnlichen Quatsch in der Glotze schauen, sie wollte heute Abend wirklich was erleben.

Zwanzig Minuten später kam sie am Casino an. Sie ließ sich am Roulette-Tisch nieder, direkt neben dem nicht mehr ganz so jungen, doch umso jugendlicher gekleideten Mann, der sie mit offenem Mund anstarrte.

„Rien ne va plus!“ hörte sie den Croupier sagen und der Gaffer hatte seinen Einsatz verpasst. Sie lächelte ihn an und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen: „Kommen sie immer zu spät?“ Gaffer lächelte verlegen und senkte den Blick auf seine Jetons.

Sie stand auf und spürte nicht nur seine Blicke auf ihrem Hintern, den sie sehr anzüglich zur Bar bewegte. Lässig ließ sie sich auf einen Barhocker fallen, zündete sich eine Zigarette an und bestellte einen Prosecco.

Gaffer ließ sich Zeit. Der Mutigste war er wohl nicht. Doch drei Minuten später hatte er sich wohl einen Ruck gegeben, denn er kam endlich angedackelt und setzte sich neben sie auf den freien Barhocker. Sie schaute ihm triumphierend in die Augen, hauchte ihm den Rauch ins Gesicht und ergriff mit ihrer linken Hand seine Krawatte.

„Hör zu, mein Guter: ich mach’ so ziemlich alles, aber nur mit Gummi. Und ich geh mit dir nur in ein Hotel, mindestens vier Sterne. Du erlebst eine Stunde, mehr Zeit habe ich nicht, die du nie vergessen wirst. Und der Spaß kostet dich nur vierhundert Euro!“

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