Sie hatte eine sehr herzliche, offene Art und strahlte mich an aus ihrem von wilden schwarzen Locken umrahmten Gesicht. Diese Mähne glich ein wenig meiner, doch ihre war echt. Haarpracht, dunkler Teint und Gesichtszüge deuteten auf einen afrikanischen Einschlag irgendwo vor Generationen, eine wirkliche Schönheit in gelungener Mischung der menschlichen Möglichkeiten. Ich phantasierte sie als eine jener milden wilden Dschungelköniginnen, wie sie K. so gefallen hatten. Meine Königin wurde sie zwar nicht, aber meine Gespielin. Zunächst jedoch folgte ich ihr und Petra durch die ein wenig geheimnisvollen Gänge ins Innere des verborgenen Reichs, wo ich bisher noch nicht gewesen war. Ihre Rückansicht war mindestens so ansprechend, wie die Petras und die beiden bewegten sich wirklich Göttinnen gleich. Ich hatte eigentlich nie Komplexe in dieser Hinsicht gehabt. Nun merkte ich, wie ich mich bemühte, ihnen gegenüber in Eleganz und Sinnlichkeit der Bewegungen nicht abzufallen. Und dass, obwohl uns niemand begegnete und niemand folgte. Wir waren allein unterwegs im Labyrinth der Lüste.
Sie hieß Corinne und stammte von Mauritius. Eine wilde, nachhaltige Liebe zu einem beruflich dort weilenden Bauingenieur hatte sie hierher und in eine nach ein paar Jahren leider gescheiterte Ehe getragen. Nach ihrer Scheidung suchte sie nun einen neuen Anfang, ohne sich zu schnell festzulegen. So unvermittelt und unverkrampft kam ich mit ihr ins Gespräch, als wir auf den Barhockern saßen und warteten. Worauf? Ich fragte nicht, wollte die Überraschung für mich nicht schmälern durch Andeutungen oder Auskünfte, die ich ihr vielleicht entlocken konnte. Irgendwann neigte sie ihren Kopf zur Seite und fragte mich nachdenklich: Hat ein Mann Dich verletzt? Ich zögerte einen Moment, empfand plötzlich Misstrauen. Was hatte Agnes offenbart? Aber ich besann mich schnell, dass sie gewisse Vorgaben gemacht hatte, hatte ich ja erwartet. Denn wie sonst hätte es bereits zu diesem Erlebnis mit Petra kommen können, und worüber eigentlich sollte ich mich aufregen? Ich empfand unbeschwerte Lust, wenn ich hierherkam, fühlte Spannung, Neugier, Abenteuerlust und war doch geborgen.
Zwei Männer, antwortete ich. Der mich ins Reich der unendlichen Lüste trug, hat mich erniedrigt, und das ist tief verletzend, anders als das, was man gern Erniedrigung nennt, womit man aber eigentlich ein umfassendes Umfangensein, einen vorbehaltlosen Halt meint. Und der, der mich achtete, solange er mich begehrte, hat sich an eine andere verloren, mich hat er verlassen. Sie nickte, schien mit dieser kurzen Beschreibung Vorstellung genug von meinen Erfahrungen zu haben. Nun schwiegen wir, so wie es Petra im Zuhören die ganze Zeit schon getan hatte. Still war es und wir alle hörten, wie sich die Tür öffnete. Petras Augen weiteten sich und Corinnes Gesicht bekam einen so sinnlichen Ausdruck, so als habe der Genuss schon begonnen. Fast gleichzeitig drehten wir uns um auf unseren Barhockern.
Da stand er.
Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich schon einmal so unvermittelt erregt war.
Sündige Engel
Tinas Geschichte - Teil 24
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Sündige Engel
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