Als er mal wieder einen Brief abgab, in dem er versuchte sich zu erklären, hatten die Mädels im Reisebüro eine Nachricht für ihn.
Es war nur ein gefalteter Zettel: „Schreib mir mal, was du in deiner Freizeit machst.“ In seiner Freizeit! Auf die Idee, dass er einfach ein Tagedieb war, war sie gar nicht gekommen. Sie nahm an, dass sein Tag Struktur habe und in Arbeit und Freizeit zerfiel. Er war froh ihr wahrheitsgemäß berichten zu können, dass er u.a. im Krankenhaus den Clown für schwerkranke Kinder geben würde. Er dankte dem Schicksal, dass seine alte Liebe zum Schultheater ihn zu dieser Beschäftigung gebracht hatte, als er sein neues Leben beginnen wollte. Die Freiwilligenagentur hatte ihm dies als eine von mehreren Optionen vorgeschlagen. Als er nach dem ersten Auftritt, der den Kindern ganz offensichtlich Freude gebracht hatte, obwohl er sich selber wirklich schlecht fand, nach Hause kam, hatte er mit einer Spraydose Adorno an die Wohnzimmerwand gesprüht: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Als er Wochen später sein Penthouse mit Elbblick verschiedenen Mietinteressenten aus der High Society zeigte, zogen einige ob des Graffitis die Stirn kraus, aber das war ihm egal. Er selbst bezog eine schöne sonnige Vierzimmer-Altbauwohnung mit Balkon. Nicht ganz billig, aber beileibe nicht so protzig wie sein altes Domizil.
Tage später erhörte sie seine Bitte, sich noch mal erklären zu können. Auf einem weiteren Zettel schrieb sie ihm: „Ok, einmal Abendessen! Kannst mich morgen nach Geschäftsschluss abholen.“ Danach gingen Sie ein paarmal aus – als „gute Bekannte“. Sein merkwürdiger Vorschlag von ihrem Kennenlernen war kein Thema mehr, aber es war offensichtlich, dass sie ihn sehr auf den Prüfstand stellte. Er musste ständig überlegen was er machte und sagte und war dabei sehr darauf bedacht, nicht zu lügen.
schreibt Amorelio