Ich dankte der Sonne, dem Meer, der warmen, salzigen Luft, die die Wellen kräuselte, und einem Gott, von dem ich schon so lange geglaubt hatte, dass er mich verlassen hatte, für diese Erkenntnis, die mich mit so viel neuer Lebenskraft erfüllte, dass ich am liebsten die ganze Welt umarmt hätte.
Ich trug Selina auf meinen Armen, drehte mich mit ihr langsam, gegen den Widerstand des Wassers, um mich selbst und genoss das Gefühl, ihren schlanken, nackten Körper an mich gepresst zu fühlen. Es war wie ein Tanz, ein ganz langsamer Tanz, so wie frisch Verliebte tanzen. Selina schloss die Augen und ließ ihren Kopf nach hinten fallen. Ihre Haare trieben wie ein Schleier im Wasser hinter ihr her und über uns kreisten ein paar Möwen. In Selinas Mundwinkel zeigte sich ein leichtes, glückliches Lächeln, das auch mein Herz mit Glück und Liebe erfüllte. Ganz behutsam beugte ich mich wieder über sie und bedeckte ihre Lippen mit einem erneuten, sanften Kuss, ohne meinen Tanz zu unterbrechen. Es war nur eine flüchtige Berührung unserer Lippen, ein zartes Tasten, das nichts forderte, sondern nur ein Geschenk an sich selbst war. So sanft, wie unsere Lippen sich berührt hatten, so sanft lösten sie sich auch wieder voneinander. Selina begann leise zu summen. Ich glaube, es war ein altes, irisches Liebeslied. Ich erkannte die Melodie, ohne das Lied zu kennen. Das Summen schwang im Rhythmus des leisen Rauschens der Wellen und des Windes und wurde begleitet von den Schreien der Möwen, die am Himmel über uns kreisten.
Das war eine Freiheit, wie ich sie mir nicht mehr hatte vorstellen können. Nur wenige Stunden zuvor, am Morgen desselben Tages, waren wir noch zuhause gewesen, zuhause in dem selbst geschaffenen Exil, um das ich so hohe Mauern errichtet hatte, bis es zu einem Gefängnis geworden war, aus dem zu befreien mir schon fast nicht mehr möglich gewesen wäre.
Swenja
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Swenja
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Telepathie
schreibt SvenSolge