Tagträumer

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Wolfgang Mertens

Diese Hitze, diese unerträgliche Hitze. Die Menschen um mich herum hatten entweder hochrote Gesichter oder wedelten sich mit allen möglichen Dingen Luft zu. Andere schlichen mit hängenden Armen und Köpfen von einem Ort zum Nächsten. Kaum jemanden, den ich sehe, der diese Hitze als Wohltat zu empfinden scheint.
Mein Sitz in der Straßenbahn, direkt am Fenster, machte es möglich, all das zu beobachten. Normalerweise sind die Waggons klimatisiert, aber gerade heute muss die Anlage ausgefallen sein. Und wir alle fühlen uns noch schlimmer, als alle da draußen. Hier geht kein Lüftchen, die Temperatur steigt noch stärker, hier in dieser Blechbüchse.
Die Bahn hält und die Passagiere springen nahezu aus der Bahn. Es wirkt wie eine Flucht, während die neuen Fahrgäste aufstöhnen, als sie einsteigen. Mit ihnen besteigt auch eine junge Frau meinen Abschnitt und kommt zielstrebig auf den freien Platz mir gegenüber zu. Sie nimmt Platz, schaut mich kurz an, nickt freundlich und beschäftigt sich dann mit ihrem Smartphone. Ja, ich vermeide den Begriff Handy, ein Kunstwort, welches nur in Old Germany genutzt wird.
Weiter aus dem Fenster schauend, fällt mein Blick auf ihr Spiegelbild. Etwas undeutlich durch die Kunststoffverglasung, betrachte ich ihre feinen Gesichtszüge. Eine wunderschöne Frau, mit uneitlen Gesichtszügen. Ich möchte einen kurzen Blick direkt riskieren und weil sie auf ihr Telefon schaut, das sie mit beiden Händen auf ihrem Schoß festhält, wende ich mich nicht ab. Schwarzes Haar in leichten Wellen umspielt ihr Gesicht, es glänzt leicht. Ein schmaler Nasenrücken und darunter volle, ungeschminkte Lippen. Und ja, da ich nicht in der Lage bin, in engen Ausschnitten wie vielleicht ein Kameraobjektiv zu sehen, betrachtete ich unter diesen Lippen und dem folgenden sanften Bogen des Kinns, ihren Oberkörper. Ihr Top gewährte einen Einblick zwischen die sanften Hügel ihrer Brust.

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