Als am frühen Morgen das Telefon klingelte und eine mir wohlbekannte Stimme ins Ohr säuselte, ob ich denn in der Mittagspause Zeit hätte, auf einen kleinen Happen vorbei zu kommen, konnte ich nicht anders als mit "Ja" zu antworten. Warum auch nicht? Wenn ich Frau Hermann besuche, erwartet mich meistens eine angenehme Überraschung. Frau Hermann ist eine Witwe im gesetzten Alter und lebt mehr schlecht als recht von einer kärglichen Rente und der bescheidenen Hinterlassenschaft ihres zeitig verstorbenen Gatten. Nach seinem plötzlichen Dahinscheiden begann sie, einige der Zimmer ihrer geräumigen Altbauwohnung an Studenten und Reisende unter zu vermieten. So konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: zum einen verdiente sie sich etwas hinzu, auf der anderen Seite hatte sie stets die Gesellschaft von jungen Leuten und entging so elegant der drohenden Großstadt-Vereinsamung. Obwohl mein Studium hinter mir liegt und ich längst meine eigene Bleibe habe, komme ich noch regelmäßig zu Besuch. Das liegt nicht nur daran, dass Frau Hermann eine hervorragende Köchin ist. Die umtriebige Dame bemüht sich quasi seit unserer ersten Begegnung, eine adäquate Lebensgefährtin für mich zu finden. Das behauptet sie jedenfalls. Anfangs verwahrte ich mich noch entschieden gegen die penetranten Kupplungsversuche meiner Wirtin. Ich war und bin ein überzeugter Junggeselle, wenn auch erotischen Abenteuern gegenüber nicht abgeneigt. Aber schon bald merkte ich, dass jeglicher Widerstand zwecklos war. Denn je mehr ich mich sträubte, desto listiger agierte Frau Hermann. Zu meiner Erleichterung stellte sich jedoch heraus, dass Frau Hermann meinen Geschmack in punkto Frauen ziemlich genau zu treffen vermochte. Und als sie zum ersten Mal feststellen durfte, mir mit Erfolg ein Mägdelein zugeführt zu haben, konnte sie ihren Triumph nur schwer verbergen.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.