Tattoo art

Lost in transformations - Teil 2

5 54-82 Minuten 0 Kommentare
Tattoo art

Tattoo art

Yupag Chinasky

Es soll den Betrachter faszinieren und gefangen nehmen. Es soll leuchten, wenn die Trägerin angespannt ist, wenn sie selbst böse ist und es soll friedlich erscheinen, wenn sie entspannt ist. Der Meister denkt nach. Noch ein Schlückchen von dem klaren Ideengeber, dann weiß er, was er zu tun hat, dann ist das Muster in seinem inneren Auge entstanden und er muss es nur noch übertragen. Aber er zögert, denn er weiß, dass dieser Eingriff gefährlich ist. Er weiß, dass er an dieser Stelle, auf der pulsierenden Halsschlagader, ganz besonders vorsichtig zu Werke gehen muss, dass er den Stichel nur ganz sanft setzen darf, dass er das Skalpell nur über die Haut gleiten lassen darf, fast schwebend, aber doch tief genug, damit sie geritzt wird und die Farbe, das giftige rote Zinnober und die tiefschwarze Kohle in die Umrandungen eindringen kann. Der tattoo artist konzentriert sich wieder und beginnt mit dem schwierigen Unterfangen. Mit der linken Hand stützt er sich auf den Rand der Wanne, die rechte Hand führt das Skalpell an den Hals des Mädchens. Es ist teuflisch scharf und spitz.
Sein Opfer, die Mulattin, lehnt die ganze Zeit mit dem Rücken am Wannenrand. Sie hat ihre Position kaum verändert, seit sie in den Sake eingetaucht ist. Sie war tapfer, geduldig und regungslos, solange der tattoo artist an ihr gearbeitet hat. Doch nun ermahnt er sie nochmals und sehr eindringlich, unbedingt ganz ruhig zu bleiben, sich auf keinen Fall zu bewegen. Sie versteht ihn nicht, sie spricht nicht seine Sprache. Der Fotograf übersetzt. Sie blinzelt zustimmend mit den Augen. Sie scheint die Ruhe selbst zu sein. Ganz im Gegensatz zu dem aufgeregten, hibbeligen Lichtkünstler, der nichts verpassen will, der seine Kamera so dicht wie möglich am Ort des Geschehens halten will, der bestrebt ist, jedes Detail, jeden Stich, jeden Schnitt Format füllend aufzunehmen.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 2032

Weitere Geschichten aus dem Zyklus:

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben