Tattoo art

Lost in transformations - Teil 2

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Yupag Chinasky

Während sein Werk zum Leben erwacht, keimt ein neuer, schrecklicher Gedanke in dem versifften Gehirn des digital artists auf. Das Tier will nicht nur seine Freiheit, will nicht nur der Cyberwelt entkommen, es will auch an ihm Rache nehmen, wie das Monster von Frankenstein. Das Geschöpf will seinen Schöpfer vernichten, aus dem einzigen Grund, weil er es erschaffen hat. Weil er es in solch herrlich grauenvoller Bösartigkeit erschaffen hat und ihm sein eigenes Antlitz noch in das Auge gesetzt hat. Er wird von seinem Golem, von seiner Olympia zerfleischt, versengt, getötet, weil er es mit seiner Kunst geschafft hat, ein fiktionales Gebilde zum Leben zu erwecken. Welch Irrsinn! Welch verhängnisvolle Tat! Voller Angst schließt er die Augen, bückt sich, kauert sich neben den Computer, sucht der Gefahr nach Art des Vogel Strauß zu entkommen, der den Kopf in den Sand steckt. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Was ich nicht sehe, ist nicht da. Noch während er zitternd am Boden kauert, hört er ein Geräusch, ein Plopp, das dem Öffnen einer Sektflasche gleicht und spürt einen Luftzug, wie den Flügelschlag eines großen Vogels oder einer überdimensionalen Fledermaus, eines sich Menschenblut ernährenden Vampirs. Angst und Neugierde liefern sich einen kurzen Kampf in seinem Kopf, dann richtet er sich doch auf und blinzelt erst vorsichtig, reißt aber rasch die Augen weit auf und beobachtet, wie sein Drache in dem Zimmer umherirrt, wie er, Feuer ausstoßend, irrlichternd umherfliegt. Seine Kreatur will fliehen, statt ihn anzugreifen, will entkommen, denn ein neues Plopp entsteht, als das irrende Wesen an die Fensterscheibe stößt. Es will hinaus in die Nacht, in die Freiheit. Soll er ihm diese Freiheit geben? Soll er das Fenster öffnen. Noch während der Künstler sich zögernd erhebt, schafft der Drache Tatsachen. Mit voller Wucht fliegt er gegen die Fensterscheibe. Sie birst.

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