Tattoo art

Lost in transformations - Teil 2

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Yupag Chinasky

Der sensationsgeile Fotograf hat seine optimale Position auf dem Wannenrand gefunden, er balanciert nicht mehr. Seine ganze Konzentration gilt dem braunen Hals, dem grün-roten Drachen, der feinen, faltigen, zitternden Hand des Meisters und dem scharfen Skalpell, das wenige Millimeter über der Schokohaut schwebt. Er hatte bereits festgehalten, was zu dokumentieren war, die sanften Schnitte, die kleinen Sticke, die Bluttröpfchen, die aus den winzigen Wunden quollen und rote Linien bildeten und das grelle rote Zinnober oder das tiefe Schwarz, das mit dem Blut vermischt wurde. Diese subtilen Schnitte, die alte Hand und das leidende Gesicht des Mädchens waren für ihn der Höhepunkt des Events. In diesen Bildern hatte sich eine Spannung ausgedrückt, die sich wohl nicht mehr steigern ließ. Das hatte der Fotograf genau gespürt und ein ums andere Mal abgedrückt. In dieser finalen Phase war ihm nichts entgangen, aber trotzdem hat er immer noch nicht genug. Gierig, wie ein ausgehungerter Paparazzi-Photograph wartet er, dass der Tätowierer die Arbeit fortsetzt und zum Ende kommt. Er fühlt, angesichts des Zögerns des Meisters, instinktiv, dass noch etwas geschehen wird, dass sich noch etwas Dramatisches, irgend etwas Aufregendes ereignen wird. Dieses Gezitter der Hand, Ausdruck von Angst und Unsicherheit, dieses abgrundtief scharfe Messer, dieser braune, ungeschützte Hals, erregen ihn. Ihn fröstelt vor Gier und Wollust und Anspannung und er schaut geradezu zwanghaft durch den Sucher der Kamera. Sein Blickfeld hat sich auf das kleine Rechteck verengt, sonst sieht er nichts. Er wartet, der Tätowierer wartet, der Alte hinter der Vase wartet und das Mädchen in der Sake kann ohnehin nichts anderes tun, als auch zu warten. Doch es tut sich nichts. Aus den Sekunden der Untätigkeit werden quälende Minuten.

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