Sabine blickte aus dem Fenster ihrer Erdgeschoßwohnung. Die aufgewühlte Endfünfzigerin wartete auf Sandra, wobei Sorgenfalten ihre Stirn verunzierten. Sandra war nun mal ihre einzige Tochter und dass gerade sie diesen Weg einschlug, schien für Sabine unfassbar zu sein. Sabine hatte Sandra erst spät bekommen, da sie kaum Zeit für eine Familie fand. Sabine betrieb mit ihrem damaligen Mann Gerhard einen Blumenladen, der sie beinahe rund um die Uhr auf Trab hielt. Nachdem das Paar mühsam einen festen Kundenstamm aufgebaut hatte, wurde Sabine mit 35 Jahren Mutter einer Tochter. Leider scheiterte bald danach die Ehe mit Gerhard. Sandra war gerade eingeschult worden, als Sabine die Scheidung einreichte. Der Blumenladen wurde verkauft und der Erlös unter beiden Ehepartnern aufgeteilt. Sabine zog in eine kleinere Wohnung, nahm dann eine Arbeit in einer Gärtnerei an, um über die Runden zu kommen. Da ihr gemeinsames Geschäft belastet war, blieb ihr nicht viel Geld übrig, das sie auf die sogenannte hohe Kante legen konnte. Trotzdem bot sie ihrer Tochter eine behütete Kindheit. Gerhard kam oft vorbei und es gab fast nie Streitigkeiten unter den früheren Eheleuten. Die Probleme begannen erst, nachdem Sandra volljährig wurde. Das war nun fünf Jahre her und so langsam machte Sabine sich große Sorgen um die junge Frau. Sandra hatte ihr Studium unterbrochen, was eigentlich hieß, dass sie der Uni den Rücken kehrte. Die junge Frau lernte einen Mann kennen, der einen Nacht-Club betrieb. Sandra war verliebt, was die Gemengelage noch komplizierter machte. Gerhard erfuhr von einem jüngeren Kollegen, dass Sandra in dem Lokal an der Stange tanzte. Sabine spürte einen Stich, als ihr Ex-Mann davon berichtete. Es war schon ein Schock, dass Sandra ihr Psychologiestudium für eine Karriere als Nackttänzerin aufgeben wollte. Die 23-Jährige hätte eigentlich ihren Bachelor-Abschluss in der Tasche haben sollen, aber daran war im Moment nicht zu denken.
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