Traum einer Rechtsanwaltsgehilfin

4 3-6 Minuten 0 Kommentare
Traum einer Rechtsanwaltsgehilfin

Traum einer Rechtsanwaltsgehilfin

Ferdinand Freiherr von der Ferne

So wie der Vorhang sich hebt und ich hineinsehe, in dieses Meer männlich leuchtender Augenpaare, starr vor Erwartung, funkelnd vom Scheinwerferlicht, bin ich nicht mehr ganz ich, nicht mehr für mich, so dann für euch – ihr gierig glotzende Masse von einzeln abgeklemmten Wunscherfüllungen. Sündhaft dreckigen Wunscherfüllungen! Kommt also ruhig näher, ein Stück noch, und seht her, seht mich an und weidet eure schamlosen Blicke an dem, was ich euch von mir zeige. Mein Glitzerkostüm, meine grelle Schminke und mein leuchtroter Mund kommt schon euren Erwartungen entgegen, ja? Und wenn ihr meinen schlanken Körper seht, mit dem so schön geformten vollen Busen – wem wird es da nicht eng? Wie jetzt, wo ich euch alle der Reihe nach, lüstern und herausfordernd anschaue, als wolle ich jeden von euch einzeln verführen und euren geilen Wünschen zu Willen sein – pfui, was geht bloß in euren Köpfen vor? Eure Frauen möchte ich sehen, sofern ihr eine habt, dünn und ewig genervt, oder die Figur ausgelatscht; alle Durchschnitt, alle Mittelmaß wohl, so wie ihr selbst. Hier, seht, wie ich für euch mein Glitzerkleid abstreife, langsam, im schwülen Rhythmus der Musik, seht, wie ich dabei meine Oberlippe mit der Zunge benetze und die Augen dabei halb schließe, nur. Ja, auch du, du feister Sack mit Glatze, schwitzt und stierst wie ein Hammel; hast wohl ein hübsches Konto und bildest dir ein, es macht dich attraktiv! Könntest du nur einmal offen hören, wie eine schöne Frau über dein Äußeres denkt. Nur zu, sieh mich an, jetzt, wo nur noch Dessous an mir haften; du liebst doch Strapse, du magst doch schwarze Strümpfe. Denk jetzt nicht an die hautfarbenen Strumpfhosen deiner Alten in Übergröße! Nein, sieh her, ich dreh mich jetzt um – welch ein Arsch, was?
Der Rhythmus greift, weiter, langsam, Tango –
Ich beug mich nach vorn. Das Höschen herunterziehen, schon mal reinschauen, was? Nein, jetzt nicht, ihr sollt erst weiterschwitzen, auskosten und euch zurückhalten, noch. Greift euch ruhig unauffällig in den Schritt, ihr habt schließlich bezahlt. Drückt eure gewachsenen Beulen aber herunter, damit sie nicht verfrüht überschäumen – hier kommt das Vorspiel mit den Strümpfen. Eine galante Drehung und ich seh euch wieder, eure Blicke tasten mich.
Die Musik schwitzt sich durch die Nylonmaschen, grell lackierte Fingernägel wandern zu Füßen, um deren glänzende, feine Pumps abzustreifen und dann langsam weiter die langen Beine emporwandern, bis herauf zu dem zarten Spitzenbesatz der schwarzen Strümpfe, die durch das Scheinwerferlicht einen leichten Rotschimmer zeigen. Hier wird ein Halterverschluß nach dem anderen, so kunstvoll und elegant gelöst, bis daß dem Strumpfhalter endlich seine vier Verschlußbänder, wie befreit – einzeln herunterbaumeln. Die Atmosphäre verdichtet sich.
Euer lüsternes Gegröle drängt sich durch Bier- Schnaps- und Tabakgeruch, bis herauf zu mir, auf die Bühne, bis zu dem obersten Rand meiner Strümpfe, die ich jetzt einen nach dem anderen, in kaum zu ertragend, lässig-langsamen ¾ Takt der Musik, und wie von einem unsichtbaren Trancenebel umhüllt, herunterstreife. Groß ist das Oho-Gejubel aus euren alkoholbenetzten Männerkehlen – so wie meine Beine gänzlich nackt dastehen, ja! Aber eine solche Hyjänenbande will mehr, will alles!
Es wird ruhiger – sowie ich euch wieder den Rücken kehre, und meine Finger wie eine Schnecke meine Schulterblätter entlangwandern – auf den Verschluß meines Oberteils zu!
Kreisend fegen die Schlagzeugbesen wieder und wieder, – schleppend über die Trommel.
Der Rhythmus, der die Luft durchdringt, ist ganz in meinem Körper eingedrungen. Die Hüften, die ich rund kreisen lasse, lenken kaum davon ab, daß ich mein Oberteil aufs Parkett werfe und somit nur die eine Erwartung provoziere: mich umzudrehen! Dennoch tanze ich, die Hüften langsam hin und her wiegend, weiter – der lüsternen Augenschar den Rücken zugewand.
Ja, ihr wollt meine nackten Brüste – anglotzen und euch dran weiden, an dem, was ihr doch nicht zu fassen kriegt!
Der Tusch erklingt zeitgleich mit der Drehung des Körpers, und die Hände, die jetzt noch auf dem Busen ruhen, sind auch schon wie in einer Triumphgeste in die Höhe geschnellt. Bravorufe mehr und mehr, verhaltene, laute, kleinlaute.
Hier bin ich, hier sind Sie, alle beide, rund und schön – schaut ruhig her – das macht Druck, was? Ihr in der ersten Reihe, schaut, wie die Knospen aufrecht stehen – wie eure Ständer!
Schwer ist die Musik geworden, immer heißer, wie die Luft – und es geht weiter, es ist noch nicht zuende.
So kehre ich euch wieder den Rücken, beuge mich sachte mehr und mehr herunter, fasse mir an die Fußgelenke und schaue von unten durch meine Beine, auf euch – Bande, die ihr kurz davor seid. Und kurz davor, das zu sehen, was euch noch fehlt. So haltet aus, die Zeit und steht durch – wie ich jetzt in dieser Stellung mein Letztes, mein Höschen, in einem euch den Atem raubenden Zeitlupentempo herunterstreife, und das euch mehr als nur schwitzen läßt.
Selbst die Musik scheint durch die angespannte Erwartung zu erlahmen. Das glitzernde Kleidungsstück ist endlich bis zu den Fersen gelangt. Im Saal herrscht für kurze Zeit Stille. Und als die Hände, in noch selbiger Stellung - der Kopf sieht noch immer von unten durch die Beine zum Publikum – langsam die Beine aufwärtsgleiten, ganz bedächtig, immer höher, bis herauf zum Po – da steht für kurz die Zeit still: Es ist der Augenblick, wo die Finger jetzt die nackten Pobacken auseinanderspreizen und im Saal ein Geraune und trockenes Geschlucke hörbar wird.
Ja, schaut ruhig herein, tief, bis euch schwindelig wird, rückt weiter auf, kommt und glotzt euch satt. Und das wars! So steht ihr da, vollgestopft mit zurückgespannten Triebfedern voller Schmutzgedanken. Wie herrlich, hier zu stehen, hier oben, mit sicherem Abstand vor euren schwielig, schweißigen Händen, mit den gierigen Fettfingern, die sich allzu gern an einem Körper wie dem meinen – so glatt und schön –, vergreifen würden. Bleibt mir bloß fern und schaut euch lieber selbst einmal an, ihr Böcke! Was wißt ihr schon von unseren Wünschen, unseren Urängsten? Seid ihr etwa imstande nachzuempfinden, wovor es uns so ekelt – vor dem, was euch so überaus aufgeilt? Pfui! – Doch hier geb ich euch die Peitsche, hier bin ich die Herrin über eure armseligen Triebe. Ich mag das!
Der Vorhang senkt sich.

 

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 1580

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben