In diesen besonderen Zeiten sollte strikte Disziplin selbstverständlich sein. Ich halte mich an die momentan notwendigen Anforderungen, denen ich mich auch in normalen Zeiten verpflichtet fühle. Ich bin 30 Jahre alt, und seit Wochen im Home Office. Meine Freundin Lucy ist wegen der Pandemie ebenfalls zuhause. Wir arbeiten bei verschiedenen Unternehmen, die aber auf dieselben Methoden der Ansteckungsverhütung setzen. Lucy muss sich also auch jeden Tag in den Firmenrechner einloggen, um von dort aus ihre Korrespondenz und all die anliegende Arbeit zu erledigen. Sie ist bei einem Versicherungsunternehmen beschäftigt, während ich bei einem mittelständischen Autozulieferer tätig bin. Ich erwähnte es ja bereits: ich bin sehr pflichtbewusst, während meine Liebste bevorzugt nach dem bekannten Motto “Alle Fünf gerade sein lassen“ handelt. Am Anfang der Einschränkungen dachte ich noch, dass Lucy mit Depressionen zu kämpfen hätte. Sie ist ein fröhlicher, kontaktfreudiger Mensch, der gerne unter Leuten ist. Es war offensichtlich, dass sie unter der staatlich verordneten Kontaktsperre litt. Ich versuchte Lucy aufzuheitern, riet ihr aber auch, ihren Pflichten nachzukommen. Lucy dachte gar nicht daran. Sie tat bisher nur das Allernötigste, und mittlerweile schafft sie es kaum noch aus dem Bett zu steigen. Ich werde mir das nicht mehr allzu lange anschauen, zumal mich ihr Anblick zu nerven beginnt. Sie sitzt noch zu Mittag in Leggins und lappigen T-Shirts am Küchentisch, während ich schon mehrere Stunden am Computer verbracht habe. Ich dusche mich gleich nach dem Aufstehen, schminke mich sorgfältig, als ginge ich ins Büro. Ich ziehe mich auch dementsprechend an, damit ich erst gar nicht nachlasse. Bei Lucy sieht das anders aus. Sie gähnt wie ein Scheunentor, als ich mir etwas zu Essen mache. Ihre langen Haare sehen verfilzt und struppig aus, als hätte Lucy sie seit Wochen nicht mehr gewaschen.
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