Ach, Anita, wie lieb ich sie gewonnen hatte, wie freundlich sie mir damals geantwortet hatte. So viele persönliche Dinge hatten wir seitdem per Brief und per E-Mail miteinander geteilt. Meine Sorge galt eher meiner Vorstellung von ihr. In meinem Kopf war sie zu einer Freundin geworden, wie ich sie seit Jugendtagen nicht mehr gehabt hatte. Wir waren so unterschiedlich und teilten doch so viel.
Als Anita mich am Bahnhof abgeholt hatte, musste ich ihr einfach um den Hals fallen. Da war sie. Anita, die mir so wunderschöne Bilder von sich geschickt hatte, die so verständnisvoll war. Aber bald schon machte sich unser beider Unsicherheit bemerkbar. Wir stammelten beide herum, wie kleine Mädchen, denen etwas peinlich ist. Vielleicht war der Besuch doch keine gute Idee gewesen?
Nun aber verfliegt dieses Gefühl. Anita zeigt mir eine Wohnung, die es verdient hat, Loft genannt zu werden. Mit großen Augen gehe ich ihr hinterher. Die hallenartige Wohnung wird durch nachträglich errichtete Wände unterteilt. Eine Galerie gibt den Blick auf ein unglaubliches Wohnzimmer frei. Von einem Südbalkon aus ist Berlin zu sehen. Die Führung gipfelt in einem großen Schlafzimmer, in dem ein riesiges Wasserbett steht. Anita sieht meinen offen stehenden Mund und fängt an zu lachen. Genau so hatte ich mir den Klang ihres Lachens vorgestellt. Unvermittelt wird Anita zu einem echten Menschen. Die Vorstellung von ihr in meinem Kopf verschwindet, und übrig bleibt diese schöne Frau, die ich nun endlich richtig kennenlernen kann. „Möchtest du etwas trinken?“, fragt mich Anita. Sie geht um das Bett herum und öffnet mit einer Bewegung wie ein Zauberer eine Tür im Wandschrank. Zum Vorschein kommt eine gutbestückte Bar. „Und ob!“, entfährt es mir. Wieder lacht Anita dieses schöne klare Lachen.
„Was möchtest du?“, fragt sie mich.
„Gibt es Scotch?“, frage ich.
“Du legst ja los.
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