Naja, jedenfalls in einem Alter, in dem Jungs teilweise schon entdecken, daß nicht alle Mädchen doof sind, sondern das ein oder andere ja auch irgendwie ganz süß ist und daß man, wenn man ganz intensiv an das eine Mädchen denkt, so ein ganz seltsames Kribbeln im Bauch kriegt, verbunden mit einem kosmischen Glücksgefühl, welches in einem penetranten Grinsen Ausdruck findet, das man aufsetzt, während man im Gras liegt, die flockigen Wolken anguckt und an ein ganz bestimmtes Mädchen denkt.
Ich gehörte zu den Jungs, die diese Erfahrung nicht schon mit 14, 15 Jahren gemacht haben. Ich war ein Jahr später dran. Wenn man heutzutage ein Foto von mir in die Hände bekommt, auf dem ich 14, 15 bin, weiß man auch, warum.
Hätte ich allerdings in diesem Alter bereits eine Freundin gehabt, dann hätte ich auch alles versucht, mit ihr am Samstag abend, wenn auf DDR 1 Erotisches zur Nacht lief, allein zu sein. Um ganz intensiv zu kuscheln. Um Sachen zu machen, die man so macht, wenn man mit einem Mädchenballein ist und im Fernsehen gerade einen visuellen Scharfmacher konsumiert hat. Um Sachen mit ihr zu machen, die man in der Realität nie so richtig hinkriegt, weil sie sich als nicht so aufregend entpuppen, wie sie noch in der Fantasie waren.
Wie gesagt, ich hatte keine Freundin, also war ich dazu verdammt, Erotisches zur Nacht, das geilste, was es damals im Deutschen Fernsehen gab, eine Serie mit nackten Frauenärschen, kleinen und großen nackten Frauenbrüsten und angetäuschtem Geschlechtsverkehr zusammen mit meiner ganzen Familie zu gucken. Naja, die ganze Familie war es in Wirklichkeit nicht, die da nach 23 Uhr zu Pfingsten, Ostern und Weihnachten mit heruntergeklapptem Unterkiefer und, das war zumindest bei mir der Fall, angestrengt entspannter Sitzhaltung vor dem Familienfernseher saß. Die kleine Schwester fehlte. Die war noch jünger als 10. Da war der Fall klar. Das war nichts für die. Also saßen Mutti, Vati, der Sohnemann, das war ich, und die große Schwester vor dem Fernseher, um bei Wein, Bier, Brause und Erdnußflips Erotisches zur Nacht zu gucken. Wenn diese kleine versaute Fernsehserie dann nach Ende des Abspanns vorbei war, ging es bei uns zu Hause dann so richtig los. Aufgeheizt von diesen vielen erotischen Reizen im Farbfernsehen schütteten wir uns gegenseitig Wein, Bier und Brause in die Bauchnäbel. Das hat richtig schön geprickelt. Dann sind wir übereinander hergefallen und haben dabei so einen Krach gemacht, daß die Nachbarn klingelten und gefragt haben, ob wir a) gerade auch Erotisches zur Nacht gesehen und b) Kondome hätten. A ja, B nein.
Und im Prinzip stimmt das ja gar nicht. Aber wenn ich geschrieben hätte, wie es wirklich war, also, daß wir nach dieser Fernsehsendung ganz brav, und mit Ausnahme von Mutti und Vati, auch allein ins Bett gegangen sind, wäre das kein origineller Schluß dieser kleinen, ansonsten wahren Geschichte gewesen.
Und um 23.15 Uhr: Erotisches zur Nacht
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