Ungefilterte Fantasie

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Ungefilterte Fantasie

Ungefilterte Fantasie

Chloé d'Aubigné

Meine Morgen sind sehr routiniert und genau so, wie es bei vielen Familien der Fall ist. Mein Mann küsst mich flüchtig auf die Wange, noch bevor ich in meine Jacke schlüpfe und das Haus verlasse. Er bringt die beiden Kinder zur Schule und ich kann mich darauf verlassen, dass er auch jeden Streit, der bis Beginn des Schultags zwischen ihnen aufkommen könnte, gekonnt regeln wird. Ja, er ist generell sehr talentiert darin, Dinge zu regeln. Und daher haben wir auch ein geregeltes Leben, ein schönes Zuhause und alles, was man sich wünschen kann. Ich meine dies nun nicht sarkastisch, sondern wirklich ernst. Mein Mann ist ein Glücksgriff und ich habe ein Leben, mit dem ich zufrieden sein kann. Und doch gibt es da jeden Morgen diesen Moment, der alles ins Wanken bringt.

Jeden Tag stehe ich an derselben Theke und jedes Mal ist sie es, die mir meinen Kaffee reicht. Ihr Name steht auf dem kleinen Schild an ihrer Brust – „Lea“ – aber ob das wirklich ihr Name ist, weiß ich nicht. Ich weiß eigentlich gar nichts über sie. Nur, dass sie lächelt, wenn sie mich sieht. Dieses Lächeln ist wie ein geheimer Gruß, nur für mich bestimmt. So fühlt es sich zumindest an und so hoffe ich es. Wahrscheinlich ist es sogar wahr. Denn ihre Finger berühren beim Wechselgeld immer ganz leicht meine Hand, und ich spüre ein Prickeln, das viel zu lange nachhallt. Und dieser Moment ist Grund genug, dass ich ihr jeden Morgen mit Bargeld zahle, nie mit Karte. Ich will für einen Moment Leas Finger an meiner Hand spüren. Mal berühren sie nur kurz meine Handfläche, mal streichen sie über meine Finger oder gar das Handgelenk. Diese Berührung, so kurz sie auch ist, bringt immer meine Welt zum Beben. Ich weiß, dass es wie jedes Beben gefährlich werden könnte, würde es länger dauern oder heftiger werden. Aber dies nehme ich ihn Kauf – denn nie fühle ich mich so lebendig wie in diesen Augenblicken.

Ja, es ist absurd. Es sind nur Sekunden, nein, weniger. Es ist vielleicht eine Sekunde, eine kurze Berührung. Und doch. Ich habe nie zuvor so empfunden. Diese Intensität einer Berührung. Diese Magie eines Moments. Und ich habe so schon gar nicht für eine Frau empfunden. Aber bei Lea ist alles anders. Wenn ihr Blick manchmal einen Moment zu lang an mir hängenbleibt oder wenn ihre Stimme ganz sanft oder auch mal ganz herausfordernd klingt, wenn sie meinen Namen sagt, den sie immer in Schönschrift auf den Kaffeebecher schreibt. Seit einer Weile immer mit einem Herz neben ihm. Ich ertappe mich dabei, wie ich erröte, wie ein Teenager, der zum ersten Mal begehrt wird. Manchmal frage ich mich, ob sie es merkt. Ob sie ahnt, was sie mit mir macht. Und manchmal bin ich mir sicher, dass dies der Fall ist. Dass sie ganz genau weiß, was sie in mir auslöst. Dass sie so fühlt wie ich. Dass sie auch diese Sekunde der Berührung unserer Hände genießt.

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Einzigartig

schreibt Aladina

Chloé schreibt so gefühlvoll und sanft lustanregend wie niemand sonst bei erozuna - einfach enzigartig Regina

Das gleiche Geschlecht?

schreibt SvenSolge

Eine wunderschöne Geschichte. So gefühlvoll geschrieben, wie es oft nur das Leben schenken kann.

Gedichte auf den Leib geschrieben