Noch fühlte sie die begehrlichen Blicke der Kollegen, wenn sie durch die Flure schritt, noch warfen sich die Männer in Positur, wenn sie ein Büro betrat, und sie wusste, manche einer würde viel drum geben, ihre Gunst zu erlangen. Wie lange noch? Männer standen auf sie, schon immer, daran war sie gewohnt und hatte es weidlich ausgenutzt, „hatte nichts anbrennen lassen“, wie man wohl sagte. Auch mit Henrik hatte sie ein paar Mal geschlafen. Es war okay für sie, gehörte nach ihrem Verständnis eben auch zu ihrem Job und sie hatte selbst ihren Spaß dabei. Er sah gut aus, trat souverän auf, war für sein Alter noch topp in Form und bumste sie gar nicht schlecht - nicht nötig ihm einen Orgasmus nur vorzuspielen; ein typisches Alpha-Männchen. Klar, war sie für ihn nicht mehr als eine nette Abwechslung, aber schließlich wollte sie ja kein Kind von ihm. Es erleichterte einfach die Zusammenarbeit. Wie bei den Bonobos: Bevor unnötig Stress aufkommt, vögelt man halt ein bisschen rum. Und es beschleunigte die eine oder andere Gehaltserhöhung. Seine Frau – sehr charmant übrigens - ahnte vermutlich etwas, doch nach außen war ihr Verhältnis rein professionell – eng, aber professionell. Ein Schuft wer Schlechtes dabei dachte.
Bei all ihren Affären kam nur eine Sache zu kurz: Ihr „Mr. Right“ war nie dabei. Das wurde ihr immer deutlicher, zunehmend schmerzlicher bewusst. Mehr als ein Jahr hatten selbst ihre intensivsten Beziehungen nicht überdauert. Dann lief ihr ein anderer über den Weg oder ihr wurde es einfach zu eng, sie hatte sich noch nicht reif für eine längere Bindung gefühlt. Doch jetzt spürte sie, wie ihr allmählich die Zeit davonlief und es stimmte, was man sagte, auch wenn es ein Klischee war: Die Auswahl wurde zusehends enger. Die Besten waren oft schon vergeben und sie wurde nicht jünger und manchmal überfiel sie die Angst vor der Vorstellung, all den verpassten Chancen nachtrauern zu müssen, wenn sie eines Tages feststellen musste, dass sie ihr Verfallsdatum schon überschritten hatte und sich das Begehren der Männer nicht mehr ihr sondern Jüngeren zuwandte.
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