Vernissage & Ekstase

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Vernissage & Ekstase

Vernissage & Ekstase

Beatrice Unger

Er schüttelte meine Hand fest, und zu meiner Überraschung lächelte er leicht. "Guten Abend. Eine beeindruckende Sammlung." Seine Stimme war ruhig, fast väterlich, was mich irritierte. Wir plauderten kurz über das Wetter und die Location, bevor er erwähnte, dass er eines meiner Bilder gekauft hatte. Es war ein kleineres Werk, ein Stillleben mit Früchten, das ich als Übung gemalt hatte. "Was halten Sie denn von den Bildern?", fragte ich schließlich, bemüht, meine Nervosität zu verbergen. Ich wollte eine ehrliche Meinung, etwas Konstruktives. Er zögerte einen Moment, nippte an seinem Glas, bevor er antwortete, ohne direkt auf meine Frage einzugehen: "Ich kaufe von allen jungen Künstlern etwas, um ihnen Mut zu machen." Die Worte trafen mich wie eine kalte Dusche. Es fühlte sich an wie eine Ohrfeige – als ob er mich bemitleidete, als ob meine Kunst nicht aus eigener Kraft standhalten konnte. Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu explodieren.

Doch er war noch nicht fertig. Er wandte sich dem Akt zu, den er zuvor betrachtet hatte, und begann eine sachliche Kritik. "Schauen Sie sich das an", sagte er und deutete auf die Figuren. "Die Kleider am Boden deuten auf Eile hin, auf Verlangen. Aber wo ist die echte Spannung? Die Lust, die brennt? Ich habe den Eindruck, Sie verstehen nichts von dem, was Sie ausdrücken wollten. Besser hätten Sie so ein Paar fotografiert, um die Stimmung wirklich einzufangen. Hier fehlt die Geilheit, die Ekstase." Seine Worte bohrten sich in mich hinein. Ich kochte innerlich vor Wut. Er hatte recht – auf eine Weise, die mich verletzte. Ich hatte mich nach dem Studium in mein Atelier zurückgezogen, hatte gemalt und gearbeitet, aber das Leben draußen vergessen. Keine wilden Nächte, keine intensiven Begegnungen. Meine Erfahrungen mit Sex waren begrenzt: Ein Junge in der Schule, ein paar flüchtige Affären während des Studiums, und ab und zu alleinige Befriedigung unter der Dusche. Aber von ungezügelter Wollust, von diesem brennenden Verlangen, wusste ich nichts. Und er sagte es mir praktisch ins Gesicht: Als Frau war ich eine Null. Ich ballte die Fäuste in meinen Taschen, suchte nach einer scharfen Erwiderung, aber nichts kam. Stattdessen nickte ich nur stumm.

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