Ihr Inneres drückte und so begab sie sich ins Bad, zog Plug und Kugeln aus ihren Liebeslöchern und legte sie nach der Reinigung wieder zurück in die Schublade des Badschranks. Victorias Gefühlslage war eine eigenartige Mischung aus tiefer Befriedigung und der Tristesse nach dem Kleinen Tod. Der erlag sie üblicherweise nicht, doch derzeit drifteten ihre sinnliche Hochstimmung und ihre Beziehungslosigkeit arg auseinander. Nun hatte sie keinerlei Problem damit, allein zu leben. Sie fühlte sich nicht einsam in ihren Stunden allein. Aber die Lust an sich selbst war eben etwas anderes als die intime Vereinigung mit einem Mann, heißes Fleisch in heißem Fleisch! Und den Griff kräftiger Arme in der Leidenschaft konnte sie sich eben nicht ersetzen. Nur war sie nach den letzten Erfahrungen mit Männern nicht sehr empfänglich für eine neue Liebe. Sie hatte genug von diesen, manchmal erweiterten Drei-Monats-Beziehungen, ein Monat für Kennenlernen, einen für Beziehung und einen für Trennung. Und dann diese Dramen danach! Da sie gut aussah, klammerten die gewogenen und zu leicht befundenen Lover oft ordentlich, was sich auch im Umfeld als belastend erwies. Derartiges war ihr fremd. Selbst als sie einmal abserviert wurde, war sie dem Kerl fast dankbar. Denn sie hatte ja auch gespürt, dass es nicht wirklich passte, nur da wollte sie eben mal länger durchhalten als üblich. Ja, sie sehnte sich nach Haut, Atem, Blick und Berührung eines Mannes!
Victoria wollte Selbstverständlichkeit. Das waren nächtelanges Quatschen genauso wie langes gemeinsames Schweigen, das Ruhe schaffte und nicht gleich die Beziehung in Frage stellte. Sie wollte mit ihm liegen und ihn riechen und die Lust sollte sich nicht nur im ekstatischen Höhenflug äußern, sondern auch und immerwährend in der alltäglichen Berührung. Er sollte da sein, ohne dass sie seiner auch nur ansatzweise überdrüssig wurde. Irgendwo da draußen müsste er doch sein, dieser athletische Kerl mit den schwarzen Locken, dem kantigen Gesicht, das immer ein sanftes Lächeln zierte, nachdenklich wie ein Philosoph, mit kräftigen, bestimmenden Armen im Tango wie im Liebesakt, wenn seine Faust ihren Nacken in die Kissen drückte in der animalischen Begattung. So ungefähr genau müsste er sein, der, der noch gebacken wurde für sie, irgendwann. Nein, ihre Wünsche, Sehnsüchte und Phantasien waren etwas Wunderbares, und darunter wollte sie sich keinesfalls zufriedengeben!
Mit diesem Vorsatz gefasst für den Rest ihres jungen Lebens, stand sie auf und ging zur Küchenzeile. Sie belegte ein Baguette mit Ziegenkäse, schob die beiden Hälften in das Backrohr und richtete frische Tomaten mit Basilikum, Olivenöl und Zitrone auf einem Teller an.
Victoria am Samstag
Geschichten vom Anfang der Sehnsucht
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Victoria am Samstag
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