Sray war 36 Jahre alt, geschieden, hatte eine Tochter im Alter von 18 Jahren, die derzeit im Gefängnis saß und einen Freund aus Belgien, der sie verlassen hatte. Die Tochter und der Belgier waren der Inhalt ihres Lebens und deswegen auch ihr großes Problem. Dieser Mann machte ihr immer noch zu schaffen, sie redete viel über ihn und er bekam den Eindruck, dass sie immer noch liebend gern mit ihm zusammen sein würde. Die Erkenntnis, dass ein anderer Mann so wichtig für sie war, störte ihn ein wenig, obwohl solch ein Anflug von Eifersucht nach ein paar Stunden Bekanntschaft absolut unsinnig war. Der Belgier muss sehr attraktiv und wohl auch gut betucht gewesen sein. Er arbeitete als Bodyguard für seine Regierung und für andere Auftraggeber. Er war mit ihr in ihrem Land umhergereist und auch in das benachbarte Ausland gefahren und er hatte sie sogar für ein paar Wochen in seine Heimat, nach Brüssel, mitgenommen. Dort wohnte sie in seinem Haus, zusammen mit seiner Familie. Sie hatte sich allerdings in dieser Zeit sehr gelangweilt, außer fernsehen und shoppen durfte sich nichts tun, so durfte sie keine Hausarbeit verrichten, obwohl sie es gerne getan hätte. Aber dafür war ein Mädchen von den Philippinen zuständig. Mit der verstand sie sich zwar gut, aber das reichte nicht, um die langen Stunden zu überbrücken, in denen „ihr Mann“ auf Arbeit war.
Durch diese Kontakte und Erfahrungen hatte sie sich ihr passables Englisch beigebracht, allerdings konnte sie auch nach all den Jahren, in denen sie wie Mann und Frau gelebt hatten, es waren wohl insgesamt sechs gewesen, kaum etwas in lateinischer Schrift entziffern. Dieser Belgier, ihre große Liebe, die Hoffnung ihres Lebens, hatte sie Knall auf Fall, ohne Vorankündigung verlassen, ohne ein Wort der Entschuldigung, ohne eine Nachricht und ohne eine Spur zu hinterlassen. Er war physisch weg und unauffindbar, aber aus ihrem Kopf bekam sie ihn nicht mehr heraus. Auf seine Frage, ob eine andere Frau der Grund für das plötzliche Verschwinden war, ob ihm eine neue Liebe die Trennung erleichtert hatte, meinte Sray, ja, das war so, es gab da eine Frau aus Thailand, die ihn sich geschnappt hatte. Aber da war noch ein anderer Grund gewesen, einer der wohl noch wichtiger war und das war ihre Tochter, ihr Baby, wie sie sie voller Sehnsucht nannte. Denn der Belgier verschwand in dem Moment auf Nimmerwiedersehen, als die Probleme mit ihrem Baby begannen. Er hatte die Tragödie indirekt mit verursacht und Sray verlassen, als sie ihn und seine Hilfe am dringendsten benötigt hatte. Er hatte sich gedrückt, seine Liebe verleugnet, seine Hilfe versagt, sie sitzen lassen, aber dennoch trauerte sie ihm nach und ihre Seele hing immer noch an diesem Menschen.
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