Die Villa

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Die Villa

Die Villa

Yupag Chinasky

Er hatte stundenlang zugesehen, wie die Menschen in dieser für ihn seltsamen Umgebung ihrer Arbeit nachgingen, wie sie mit ihren kleinen, wendigen Booten herumpaddelten oder sich, Boot an Boot, zu einem Plausch zusammenfanden. Besonders angetan war er von den Kindern, die von den Plattformen, auf denen die Hütten standen, unermüdlich ins Wasser sprangen, wild herumschwammen, planschten, tauchten und dabei kreischten. An einem Tag hatte ihn der Fischer in sein Heimatdorf mitgenommen, das noch tiefer im Urwald lag. Er wollte seinen Verwandten Sachen aus der Stadt bringen und gegen Lebensmittel vom Land eintauschen. Sie waren früh am Morgen losgefahren. Das Boot war mit Säcken, Fässern, Kartons und blau-weiß-rot-gestreiften Chinataschen schwer beladen und seltsamerweise auch mit einem alten Kühlschrank, obwohl es außerhalb der Stadt keinen Strom gab. Und auch auf der Rückfahrt war es voll, diesmal mit Früchten, Gemüse, Eiern, Hühnern und mit drei Schweinen, die langgestreckt in Palmblättern eingewickelt, vor lauter Aufregung das Boot vollgeschissen hatten.Und er dachte daran, wie er zum ersten Mal die Villa gesehen hatte, ohne zu ahnen, wie er sie nun verfluchte. Die Ufer des großen Flusses waren dicht mit Bäumen bewachsen und nur an manchen Stellen fanden sich Lichtungen mit ein paar Hütten, mit vertäuten Booten und mit Menschen, die sich im Fluss wuschen oder Wasser holten. Um so auffälliger war in dieser Urwaldmonotonie eine schöne, große Villa, die, nicht weit von der Stadt und in einiger Entfernung vom Ufer, auf einer Anhöhe stand. Eigentlich sah man nur das leuchtend grüne Dach und 4 Türmchen. Die weiße Fassade war weitgehend von den Bäumen verdeckt. Besonders bei Sonnenuntergang, wenn die Landschaft in goldgelbes Licht getaucht wurde, beneidete er ihre Bewohner, bis er eines Tages hörte, dass es sich um das neue Provinzgefängnis handelte. Jetzt sah er die Villa mit anderen Augen an und bemerkte auch die dezenten Gitter an den wenigen sichtbaren Fenstern und die Wachen auf den Türmchen, mit Gewehren auf den Schultern.

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