Ich räusperte mich: „Hmm, ist dir das peinlich? Muss es nicht. Schau nur …, das ist Natur.“
Tatsächlich drehte er kurz den Kopf, um dann aber doch wieder starr an mir vorbeizuschauen.
Ach Gott, wie süß, er war ganz sicher noch Jungfrau.
Wir unterhielten uns.
Er erzählte von zu Hause, ich sprach über das Dorf, nach dem Kindsvater fragte er merkwürdigerweise nicht. War vielleicht klar an dieser Zeit. Auch ich sprach nicht von Fritz.
Eine Stunde später war das Wasser heiß.
Ich bedeutete ihm, mir in die Waschküche zu folgen. Auf dem Boden stand eine große Blechwanne. Ich hatte das heiße Wasser eingefüllt und eimerweise kaltes bis die Badetemperatur erreicht war.
„Zieh dich aus“. Irritiert schaute er mich an.
Ich ermunterte ihn mit meinen Blicken und er folgte. Er war immer gefolgt. In seinem Leben noch nichts anderes gelernt.
Er streifte die schweren genagelten Stiefel ab, entledigte sich der Koppel, schlüpfte aus dem eingestaubten Feldgrau, drehte sich verschämt von mir weg, als er nackt war.
Dann stieg er in den Zuber. Dünn und zerbrechlich stand er da. Ich sah einzelne Rippen, so schlank war er. Auf seiner schmächtigen Brust kein einziges Härchen. Die Hände hatte er schützend vor sein Gemächt gepresst. Vor dem Fenster hatte die Sonne den Zenit längst verlassen und kam als dunkelroter großer Ball der Erde näher. In den durch das Fenster einfallenden Strahlen sah ich noch den Staub seiner abgeworfenen Uniform in der Luft tanzen.
Ich nahm einen Schwamm, tauchte ihn in das warme Wasser und fing an ihn abzuwaschen. Langsam und zärtlich. Wie eine Mutter ihr Kind. Bedächtig nahm ich warmes Wasser mit dem Schwamm auf und ließ es über seinen Körper rinnen. Er hatte es wirklich nötig. Er und seine Kameraden waren schon einige Tage nicht mehr aus ihren Klamotten gekommen, wie er entschuldigend anmerkte.
Ich war vielleicht drei Jahre älter und kam mir dabei so unendlich erwachsen vor. Das Leben hatte mich dazu gemacht.
Als ich an den Beinen und dem Oberkörper fertig war, blieb noch seine Körpermitte. Erst wusch ich über seine Handrücken. Er presste die Hände noch stärker an den Körper. Die Handknöchel wurden weiß, so krampfte er.
Vom Leben kosten
Margot – Eine Geschichte unter vielen in ihrer Zeit – Teil 1
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