Martin hat heut schon vier Rehe geschossen. Niedliche Dinger. Und neben ihm steht so ein hochbeiniges Geschoss mit braunen Haaren und kneift jedes Mal, wenn er auf den Ablöser drückt, ganz fest die ebenso braunen Kitzaugen zu. Der Schuß verhallt – vorsichtiges Blinzeln – und großer Jubel bei jedem erneut gefällten Waldbewohner. Martin ist heute Held, der Mann fürs Grobe und hat auch durchaus vor, den geschundenen Eindruck und die gestiegene Potenz gewinnbringend umzusetzen. Abknallen macht geil. Für das fünfte Reh gibt es den Hauptpreis: eine Flasche Champagner. Die will er auch gleich abendverschönernd investieren: In Trietze, das Geschoß neben ihm.
Trietze ist auch schon ganz gut unterwegs, schließlich findet nur einmal im Jahr die Herbstmesse statt. Die dauert zwar ganze acht Tage, aber wie gesagt, es ist nur einmal im Jahr. Ebenso wie das Frühlings-, Sommer-, Heimat-, Feuerwehr- Straßen-, Sport- und Wir-verschönern-unser-Dorf-Fest. Dazu gibt es am zweiten Wochenende im August neuerdings das Brückensprungspektakel, nachdem die Bevölkerung entsetzt feststellen musste, dass jenes Wochenende noch nicht verplant war.
Dieser Zustand resultierte vielleicht aus einer postsozialistischen Streichung von Feiertagen, da ist ja einiges weggefallen. Hat aber auch seine Vorteile, denn nun muß sich niemand mehr jedes zweite Wochenende einen Kopf machen, woher man die obligatorischen roten Nelken ranbekommt, welche Verkäuferin mit welchen importierten Preziosen zu bestechen sei und wie lange man trotz Vorbestellung vor der Tür seiner Speisegaststätte ausharren muß, um anschließend „platziert“ zu werden.
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