Warte nur...

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Warte nur...

Andreas

Die Sonne durchbrach das schmuddelige Grau eines typischen Bochumer Frühsommertags. Der im Quadrat angelegte Garten bildete eine kleine Oase der Ruhe inmitten der schnell hochgezogenen Nachkriegsbauten. Helmut beobachtete seine Verlobte. Carola war eine schöne, junge Frau, auf die er sehr stolz war. Das Paar genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf einer harten Holzbank. Carola ärgerte Helmut, indem sie ihn wegen seines Schnauzbartes aufzog. Den Oberlippenbart ließ er sich seit einiger Zeit stehen. Carola fand diese Manneszier nicht besonders attraktiv. Sie zog Helmut auf:
„Dieser Bart macht dich viel älter, Helmut! Du siehst ja bald wie mein Vater aus, als er 1916 eingezogen wurde. Der Bart steht dir nicht und es wäre mir lieber, wenn du ihn abrasieren würdest!“
Helmuts Blick sprach Bände! Carola schaffte es immer wieder, ihn aus der Reserve zu locken. Der 26 Jahre alte Konstrukteur liebte seine jüngere Verlobte über alle Maßen. Carolas vorlaute Art brachte ihn hingegen immer wieder auf die Palme. So auch an diesem Tag, da sie einfach keine Ruhe gab!

Es zogen dicke Wolken auf, die den blauen Himmel verdüsterten. Es war Anfang Juni, im Jahre 1951 als Helmuts Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde. Er haderte ja selbst mit diesem Experiment, wie er seinen Schnäuzer insgeheim nannte. Helmut war sich nicht sicher, ob er den Schnäuzer stehen lassen, oder ihn wieder entfernen sollte. Er wollte das aber selbst entscheiden! Carolas ständiges Mäkeln ging ihm daher gehörig auf die Nerven und er spürte einen wachsenden Drang, sich Luft zu verschaffen. Carola machte immer weiter, setzte ihre Hänseleien fröhlich fort. „Du wirkst wie ein alter Herr, Helmut! Wenn du dich nicht bald rasierst, gebe ich dir auch keinen Kuss mehr!“ Helmut ärgerte sich über ihren spöttischen Tonfall, der ihm schon so oft zu schaffen gemacht hatte. Carola besaß ein flottes Mundwerk, dem er bisweilen nicht viel entgegen setzen konnte. So langsam reichte es ihm. „Hör jetzt auf, Carola! Wenn du so weiter machst, lege ich dich doch noch übers Knie!“ Helmut wunderte sich selbst, dass er es aussprach. Es rutschte ihm einfach raus. Er hatte Carola noch nie geschlagen, aber der Gedanke faszinierte ihn. Carola verschlug es die Sprache. Würde er das wirklich tun? Sie grinste, weil sie seine Drohung recht spannend fand. Carola neckte ihn, indem sie seine Belastbarkeitsgrenze noch etwas weiter auslotete. „Du würdest das bestimmt nicht wagen…?“
Carola hoffte im Grunde, dass sie sich irrte. Der Kitzel, vor “aller Augen“ bestraft zu werden, schien ihr sehr reizvoll zu sein. Helmut blickte seiner Verlobten tief in die Augen, als er sich mit seiner Entscheidung plagte. Er wollte Carola nicht bloßstellen, da er ja nicht wusste, was sie sich wünschte.

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