Während wir uns dem Thunfischtataki mit Wasabi und Sojasoße widmen, spüre ich erneut ein sanftes Vibrieren in meinem Jacket. Ungelenk fische ich mein Smartphone heraus und hantiere unter dem Tisch damit herum. Die Geräuschkulisse von über tausend Menschen im Saal, der Trubel beim Service des Essens und die zahlreich gezückten Handys, die die Vorspeise für die Nachwelt festhalten müssen – all das ist eine gute Tarnung für mein persönliches Herumgespiele.
Neugierig zappe ich mich zur Nachricht von Tina. Eine Nachricht, die nur aus einem Foto besteht, das aber mehr sagt als jeder Text. Tina strahlt in die Kamera, neben ihr eine Blondine mit keckem Kurzhaarschnitt, jede Menge Haut ist zu sehen, dafür umso weniger Stoff. Ich starre einen Moment auf das Bild, und der Kontrast könnte nicht grotesker sein: vorne auf der Bühne die sakrale Liturgie des Konzerns, hier in meiner Hand das private Evangelium von Lust, Freiheit und Frivolität.
„Das geht ja gut los“, denke ich mir. Schließlich hat der Abend erst begonnen und meine Frau hat offensichtlich schon reichlich Spaß. Sehr gut. Ich weiß, sie will mich damit anheizen, mir einen Porno-Blockbuster in mein Kopfkino projizieren. Wissend, dass ich hier auf der Weihnachtsfeier noch einige Stunden schmoren muss, bevor ich zu dieser Privatparty kommen kann. „Übrigens, das ist Paula. Lecker!“ Dieser Satz zaubert mir offensichtlich ein breites Grinsen ins Gesicht, was Mia auffällt.
„Was ist so funny auf deinem Handy?“, fragt sie unverhohlen.
„Ach, nichts. Meine Frau, die … wie soll ich sagen … amüsiert sich gerade, nur unweit von hier.“
Flugs packe ich das Gerät weg und versuche mich in harmlosem Smalltalk mit Mia. Ich erkundige mich, wie ihr ihre erste Weihnachtsfeier in der Hofburg gefällt, wo sie ihr tolles Outfit - mit der Ausschnitttiefe einer Gletscherspalte - gekauft hat und warum sie ausgerechnet in diesem Unternehmen gelandet ist, direkt nach ihrem Fremdsprachenstudium, von dem sie schon erzählt hat.
„Und Mia, wie ist so dein allgemeines Wohlbefinden?“, will ich abschließend noch wissen, bevor der nächste offizielle Programmpunkt startet, wo dann wieder Ruhe und geheuchelte Aufmerksamkeit angesagt sind.
Weihnachtsfeier
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