Draußen war es bereits dunkel. Als ich die Tür zu meiner Wohnung hinter mir schloss und im dicken Schneeanzug mit Fellhandschuhen und Wollmütze in die klare, frostkalte Abendluft trat, fühlte ich mich zum ersten Mal seit Tagen wieder so richtig lebendig. Ich nahm einen tiefen Atemzug – ah, tat das gut! Vor meinem Mund bildeten sich weiße Dampfwölkchen, als ich die Straße entlanglief, die zur Neubausiedlung beim ehemaligen Rangierbahnhof führte. Neubaugebiete sind in der Dunkelheit ein gutes Revier. Moderne Häuser haben oft große Fenster und Glasfronten, meist keine oder nur wenige Gardinen, die Gärten sind nur spärlich mit Büschen bewachsen, hohe Sichtschutzhecken gibt’s so gut wie keine. Außerdem wohnen dort oft jüngere Menschen, da passiert körpertechnisch noch mehr als bei den Alten in ihren Vorstadtvillen. Einziges Problem: Die jungen Leute haben oft auch Kinder, und die zwingen sie dann zum Sex in die Schlafzimmer (also die Kids die Eltern). Und Schlafzimmer sind meist in den oberen Etagen und damit vor meinen Blicken geschützt.
Die Straße führte ein Stück am Stadtpark entlang, da ist es dunkel und, vor allem im Herbst, oft auch ein wenig unheimlich. Der Gehweg war mehr schlecht als recht geräumt und auf dem gefrorenen Schnee glitzerten Eiskristalle im Licht der Straßenlaternen. Es war wirklich knackig kalt. Zum Glück hatte ich meine kuschelig warm gefütterten Uggs an. Ich lieb diese Schuhe; es sind die einzigen, in denen ich auch nach Stunden in der Kälte immer noch warme Füße habe.
Nach einer Weile kam ich an die ersten Häuser im Neubauviertel. Alles war weihnachtlich geschmückt, es blinkte und funkelte und glitzerte an jedem Busch und an jeder Fassade. Man konnte den Eindruck gewinnen, die Leute betrieben ein Wettrüsten um die teuerste und aufwändigste Lichtinstallation.
Weihnachtsgeschenke
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