Meine Schamlippen zeichnen sich unter dem Baumwollstoff gut ab, vor allem, wenn ich mich Dehnungsübungen hingebe. Meine Leggings sind übrigens weiss. Gewisse Männer schauen verschämt weg, andere schauen verschämt hin. Glaubt ihr, dass ich anders bin als andere Frauen? Wohl kaum – oder? Gut, dann kann ich weiter von mir erzählen. Ich liebe meinen Beruf. Alles um mich herum ist weiss. Die Kolleginnen, die Wände der Privatabteilung, auf der ich arbeite, die Laken – und sogar der Inhalt bestimmter Infusionen. Weiss ist geil. Ich lebe in der Berner Altstadt, im Mattequartier. Hier sind die Häuser eng ineinander gebaut. Allmählich kommen wir meiner Leidenschaft näher, alles Bisherige war Einleitungsklimbim. In meinem Wohnzimmer liegt ein runder weisser Teppich. Den Flügel habe ich gemietet; leisten könnte ich ihn mir niemals. Zudem spiele ich nicht so gut Klavier, dass die Investition in ein solch teuers Musikinstrument sich lohnte. Wände? Weiss. Vorhänge? Weiss. Dora, meine Zimmerpalme? Ätsch, hereingefallen… sie ist grün, meine liebe Dora, grün, wie es sich für eine gut gepflegte Zimmerpalme gehört. Dora steht am Fenster und schützt mich vor mir selber. Dora schützt die Nachbarn in den Wohnungen gegenüber vor mir und meinem Fernrohr. Es ist ein Gerät mit einem Zeiss-Objektiv; ich habe lange sparen müssen. Keiner von euch Lesern, die nicht mit Fernrohren vertraut sind, kann ahnen, welch pikante Details sich heranzoomen lassen mit einem derartigen Präzisionsinstrument. Was kocht die junge Mutter in der Küche gegenüber? Was brutzelt da in der Pfanne? Doch nicht schon wieder Fischstäbchen… und den tiefgekühlten Spinat setzt sie ihren zwei kleinen Kindern jeden dritten Tag vor. Kein Wunder ist sie allein erziehend. Ihr Mann ist wohl vor ihrer Fantasielosigkeit geflüchtet. Und wie sie sich anzieht! Auch ich trage Leggings, wie ihr bereits erfahren habt – aber doch nicht jeden Tag und erst noch in schwarz und erst noch von morgens bis abends.
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