Ludwig staunte nicht schlecht. Sollte er, der pensionierte Geschichtslehrer, im Landesarchiv eine Archivalie entdeckt haben, die es nötig machen würde, die Geschichte umzuschreiben?
Es war doch schließlich Allgemeinwissen, dass der „Prager Fenstersturz“ als Fanal des Böhmischen Ständeaufstandes und damit als Beginn des „30jährigen Krieges“ galt. Die protestantischen Stände, empört über die Verletzung der im Majestätsbrief von 1609 zugestandenen Religionsfreiheit der Protestanten, zogen 1618 unter Führung von Heinrich Matthias von Thurn zur Prager Burg. Und dort hatten sie Tage später die königlichen Statthalter samt ihres Kanzleisekretärs aus dem Fenster geworfen. Soweit die Geschichtsschreibung.
Und nun hielt er ein vergilbtes Dokument in der Hand. Es war in der üblichen schnörkeligen Schrift und den endlosen Redewendungen der damaligen Zeit von einem Beteiligten des Prager Fenstersturzes auf Pergament gebracht worden. Es handelte sich offensichtlich um die Lebenserinnerungen des Magisters Philipp Platter genannt „Fabricius von Rosenfeld“, Sekretär der königlich-böhmischen Hofkanzlei, Geheimer Sekretär der Statthalterei in Prag, Landesunterkämmerer der königlichen Leibgedingestädte, später nach Erhebung in den Reichsritterstand, „Philipp Fabricius von Rosenfeld und Hohenfall“.
„Gegeben im Jahre des Herrn Anno 1652 des siebenten Monats am dritten Tag, im Angesichte dessen, dass ich baldigst vor meinen Schöpfer treten werden. Die Geschichte meines langen und reich an Ereignissen gewesenen Lebens in den teutschen Landen, in Sonderheit in Böhmen, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“.
So begann das Manuskript. Natürlich hatte Ludwig zunächst die Jugendjahre übersprungen, denn er war viel zu neugierig darauf, was Fabricius über den Fenstersturz schrieb. Bisher waren nur wenige originale Berichte bekannt, z. B. der vom königlichen Statthalter Jaroslaw Borsita Graf von Martinitz, der als zuerst Gestürzter über den folgenden Sturz des Wilhelm Slavata von Chlum und Koschumberg aus einem Fenster in den etwa 17 Meter tiefer gelegenen Burggraben schrieb.
schreibt Amorelio