Wie es mit Annina weitergeht

Er warf einen kurzen Blick auf seine Taschenuhr. Bald war es neun Uhr abends, die Zeit, in der züchtige Jungfrauen sich ausziehen, in ihr leinenes Nachthemd schlüpfen, ihr Haar lösen und ins Bett kriechen, wo sie alsbald in engelinnengleichen Schlaf verfallen. „Annina“, murmelte der Dorflehrer, schlüpfte in seine Stiefel, zog sich eine warme Jacke über und begab sich nach draußen.
In Anninas Haus schimmerte noch Licht. Es war totenstill. Vorsichtig drückte der Dorflehrer den Knauf des hölzernen Gartentors und schlich sich flinker, als man es dem alten Mann zugetraut hätte, im Schatten der Bäume und Sträucher zu Anninas Haus. Sein Herz klopfte bis zum Hals, als er auf die Rückseite des bescheidenen Gebäudes zusteuerte. Anninas Schlafzimmer würde sich wohl kaum an der Frontseite befinden, rekognoszierte er scharf. Dort würde sie sich zu sehr ausstellen. Nein, Annina war scheu und zurückhaltend und würde ihre Schlafstatt in einem Bereich des kleinen  Hauses eingerichtet haben, die der Straße abgewandt war. Der Mann hatte richtig gelegen. Sein Kopf reichte gerade knapp über den Sims, und da waren zwei leicht auseinandergezogene weiße Vorhänge. Der Dorflehrer zuckte zusammen, so überrascht war er, dass er nun Einblick ins Privatgemach der vom gesamten Dorf begehrten Annina hatte. Er zog den Kopf zurück, denn würde er ein einziges Mal entdeckt, würde es das für ihn wohl gewesen sein. Polizeiposten. Befragung. Ächtung.
Annina brauchte wohl bloß mit dem Finger zu schnippen, und der schlagkräftige Dorf-Mob würde ohne Warnung über ihn herfallen. Vorsichtig hob er erneut den Kopf, gerade in dem Moment, als Annina ihr Schlafzimmer betrat. Der Raum war spärlich erleuchtet, vermutlich durch eine Petroleumlampe. Annina erschien schemenhaft, und doch so, dass der Dorflehrer, dessen Blick noch immer messerscharf war, Anninas dunkle Locken und ihr blaues, samtenes Kleid mühelos ausmachen konnte. Natürlich fühlte Annina sich unbeobachtet. Sie senkte den Kopf und öffnete langsam ihr Kleid, das kurz darauf an ihr herunterglitt und um ihre nackten Füsse einen See bildete.