Wieder auf Los

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Wieder auf Los

Wieder auf Los

Abdullah Quasseem

Die Demütigung, mich, die gestrauchelte Tochter, der spießigen Nachbarschaft präsentieren zu müssen, wollte ich ihnen – und mir – gerne ersparen.
Vom vielen Laufen in den Sandalen mit den hohen Absätzen, für die ich mich aufgrund des schönen Wetters entschieden hatte, taten mir die Füße weh und ich war froh, gerade noch den letzten freien Sitzplatz in dem rappelvollen Waggon ergattert zu haben. Bis zu der Vorortstation, zu der ich musste, würde die Bahn gut eine halbe Stunde brauchen und ich hatte keine Lust, während der ganzen Fahrt stehen zu müssen und ständig herumgeschubst zu werden.
Je mehr Innenstadthaltestellen der Zug hinter sich ließ, desto mehr lichtete sich das Menschengewühl auf den Bahnsteigen und das Gedränge im Wagen. Als die beiden Plätze mir gegenüber frei wurden, nahm dort ein junger Typ Platz, der mir schon vorher aufgefallen war, als er, noch lässig an die Trennscheibe gelehnt, neben der Tür gestanden hatte. In auffälligem Gegensatz zu den meisten übrigen Fahrgästen, die die Fahrt mit einer beinahe apathisch gelangweilten Routine absolvierten, wirkte er aufgeweckt und freundlich, unterhielt sich mit anderen oder machte einen kleinen Scherz, wenn jemand bei einem Ruckeln aus dem Gleichgewicht geriet. Außerdem sah er ziemlich gut aus und war ungefähr in meinem Alter. Obwohl ich vorgab, aus dem Fenster zu sehen und ihn nicht zu beachten, musterte ich ihn heimlich aus den Augenwinkeln und ließ meinen Blick hin und wieder, wie zufällig, über ihn streifen, wenn meine Neugier zu groß wurde. Er hatte ein markantes aber angenehmes, freundliches, glatt rasiertes Gesicht und seine dunklen Locken waren mit Haarwachs in Form gebracht. Trotz seines braven Business-Outfits - ein hellgrauer Pullover, aus dem ein gestreifter Hemdkragen hervorlugte, dunkelgraue Hosen und schwarze, polierte Schuhe – haftete ihm etwas irgendwie Ungezähmtes an. Ich fand ihn ziemlich sexy.

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