Überhaupt sei ich ein arroganter Kerl. Mir war zwar bekannt, dass manche meine wortkarge, interessierte Zurückhaltung als Überheblichkeit auslegten, ich wusste aber ehrlich nicht, wieso sie jetzt zu dieser Auffassung kam. Na, sie kenne mich schon aus der Schule, aber ich hätte sie wohl nie bemerkenswert gefunden. Ich hatte zwar das Gefühl, sie irgendwoher zu kennen, schrieb dies aber einer Kenntnis dem Sehen nach aus den örtlichen Lokalen zu. Nein, sie war, als ich Abitur machte, bei den Teenies, die gerade versuchten, sich aus dem Status der Knirpse abzuheben. Uns habt ihr natürlich übersehen, aber wir haben für Euch Große geschwärmt. Du für mich? Sie meinte, ich sollte auf dem Teppich bleiben, ich wäre immer so ernst gewesen, das sei zwar interessant, aber nicht verlockend gewesen, geschwärmt also nicht, aber wahrgenommen, was man umgekehrt von mir für sie ja nicht behaupten könne.
Sichtlich zufrieden mit der Stringenz ihrer Argumentation strahlte sie mich an, und ihr Blick, ihre Nähe ließ die Erinnerung an unser Zusammensein vor wenigen Tagen, das plötzlich in meinem Empfinden in so weite Ferne gerückt war, wieder gegenwärtig werden. Ich spürte ihren Atem, ihre leicht geöffneten Lippen lockten, formten einen angedeuteten Kuss.
Etwas bitter meinte ich: das ist dann nicht gerade Liebe auf den ersten Blick. Ein breites Lachen antwortete: wie wär‘s denn mit der auf den zweiten Blick?, um mir dann die Lippen vor weiteren Fragen zu verschließen. Zart drückte sie sich an mich, ihr warmer Atem an meinem Hals ließ mich erschauern und ohne irgendein kraftvolles Bestreben sank ich mit ihr auf die Couch, lag umschlungen mit ihr und war in meinem angeschlagenen Selbstbewusstsein froh, sie so nah zu fühlen.
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