"Nehmt nur.", sagte die Frau mit einem Lächeln und hielt Anuschka einen Gold gerahmten Handspiegel entgegen.
Zögerlich legte die junge Frau das Tuch spielerisch um ihren schlanken Hals. Der Blick fiel in den Spiegel, doch erkannte sie nicht das Tuch sondern die blauen, hellen freundlichen Augen des Mannes vor dem Buchladen.
Erschrocken drehte Anuschka sich um und schaute nun voller Bewunderung in ein markantes, sonnengebräuntes Gesicht.
"Das rote Tuch passt besser zu ihrer bronzefarbenen Haut.", sagte der Mann und hielt ihr ein zart rot schimmerndes Halstuch entgegen.
Lächelnd nahm er das blaue Tuch und legte das rote um Anuschkas Schultern. Gleichzeitig reichte er der Frau hinter dem Stand ein paar Geldscheine.
"Das kann ich nicht annehmen.", begann Anuschka zu protestieren.
"Doch, doch es ist wie für sie gemacht.", sagte er und hielt Anuschkas Hand fest, die den Schal bereits von den Schultern zog.
"Nein, das geht nicht."
"Machen sie mir die Freude und tragen sie ihn heute Abend zum Essen."
Anuschka wusste nicht, was sie denken oder sagen sollte. Sie stand vor ihm und betrachtete nur das Gesicht und die Augen. Augen in die sie fallen würde, wenn sie sich vergessen würde. Ein Gesicht, das keine Geschichte erzählen würde, ein Gesicht, das Sanftheit, Edelmut und Zärtlichkeit versprach.
Er reichte ihr eine Visitenkarte, lächelte und küsste ihre Hand. Dann drehte er sich um und verschwand im Getümmel der Menschen.
"Hier ist es.", flüsterte Anuschka und schaute noch einmal auf die Rückseite der Visitenkarte, auf welcher der Treffpunkt beschrieben war.
Da sah sie eine Gestalt aus dem Dunkeln heraustreten und wunderte sich, dass es nicht ihre Verabredung war.
"Der Graf erwartet sie bereits am Flussufer. Darf ich mir erlauben vor zu gehen?", sagte der freundliche alte Butler und ging langsam den Uferweg entlang.
Aus wenigen Metern Entfernung konnte Anuschka Kerzenschein ausmachen. Eine Atmosphäre wie aus alten Hollywoodfilmen projizierte sich in diesem Augenblick an diesem Ort wieder. Ein gut aussehender Mann mit leichten grauen Schläfen und einem sanften Lächeln empfing Anuschka einige Schritte vor der gedeckten Tafel. In seiner Hand hielt er eine blutrote wilde Orchidee.
"Danke.", hauchte er ihr entgegen und legte ihr die Orchidee in die Arme. Sanft legte er einen Arm um Anuschkas Schultern und führte sie zum Tisch. Sie war begeistert, sie konnte sich keinen besseren Begleiter wünschen. >Graf Nikita Kirjakow, welch ein Name!<, dachte sie und lächeltet ihrem Gegenüber entgegen. Das Kerzenlicht flackerte in seinen blauen Augen und Anuschka versank bereits in seiner Seele.
Anuschka und Nikita saßen sich sprachlos gegenüber und ließen sich das üppige Mahl schmecken. Immer wieder wollte Anuschka das Wort ergreifen, doch Nikita wehrte stets mit einer Handbewegung ab und ein leises "Pst" hauchte er ihr entgegen.
Nikita lächelte und reichte Anuschka das mit Krimsekt gefüllte Kristallglas und flüsterte zärtlich in ihr Ohr:
"Hier am Ufer habe ich mich in dich verliebt.", und ein zärtlich gehauchter Kuss berührte Anuschkas Hals.
Wilde Orchidee
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