Wind 1

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Wind 1

Wind 1

Yupag Chinasky

Das Haus selbst hat gemauerte Wände, kleine Fenster, eine Eingangstür, zu der drei Stufen hinaufführen und ein Wellblechdach von dunklen, undefinierbarer Farbe. Erst jetzt fallen ihm die weißen Stores in den Fenstern auf, ein Hinweis, dass es wohl doch bewohnt ist.

Er hat ein paar Bilder gemacht und beschließt, noch ein Stück weiter zu gehen, um die ganze Trostlosigkeit dieses Anwesens noch besser zu erfassen: ein kleines weißes Haus, vor einem dunklen Himmel, an dem sich die Wolken dramatisch türmen. Der Wind hat ganz plötzlich wieder deutlich zugelegt und bläst und heult und jault und zerrt. Er geht vielleicht Hundert Meter mit gesenktem Kopf gesenkt, zum Glück hat er die Kamera in die Tasche gesteckt, denn auf einmal kommt eine ganz gewaltige Böe auf. Erst hört er ein verstärkte Brausen, dann sieht er, dass kleine Schottersteine neben ihm über die Straße rollen und dann hat ihn der Sturm gepackt und drückt und schiebt und stößt ihn vor sich her und der Staub hüllt ihn ein. Er will sich umdrehen, will sich gegen den Wind stemmen, will so rasch wie möglich zurück zum Auto, aber es ist zu spät. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich von dem Wind treiben zu lassen, als vor dem Wind her zu laufen. Vielleicht hätte ihn die Böe verschont, wenn er sich auf den Boden gesetzt oder flach hingelegt hätte, aber ihm bleibt gar keine Zeit, um nachzudenken oder eine Entscheidung zu treffen. Die Böe hat ihm alle Entscheidungen abgenommen und treibt ihn die Straße entlang. Er muss rennen, ob er will oder nicht. Seine Beine bewegen sich wie von selbst, immer schneller und schneller. Er fürchtet, auf die Straße, auf den Schotter mit den vielen spitzen und kantigen Steinchen geworfen zu werden und dort entlang zu schrappen. Er rennt und es gibt nur noch eine Möglichkeit, der heftigen Attacke zu entkommen. Er muss weg von der Straße, auf das schüttere Gras der Böschung.

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