Käthe konnte sich denken, wo es Inge hinzog. Sie kannte das stille Mädchen lange genug, um einschätzen zu können, an welchem Ort sich ihre Freundin verstecken würde. Inge lief zielstrebig auf die Rückseite der Turnhalle zu, gerade so, wie es Käthe erwartet hatte. Das clevere Mädchen ließ ihr einen kleinen Vorsprung, damit Inge in flagranti ertappt wurde! Käthe beobachtete das strohblonde Mädchen schon seit Wochen. Genau so lange hegte sie auch diesen Verdacht. Inge ging stets sehr vorsichtig vor. Sie sah sich erst nach allen Seiten um, bevor sie sich eine Kippe ansteckte. So auch heute. Als Inge gerade den zweiten Zug nahm, stand plötzlich Käthe vor ihr. Sie hob mahnend den Finger, wie es Frau Reiser bei solchen Gelegenheiten auch zu tun pflegte. Inge wurde richtig blass.
„Was treibst du für einen Blödsinn, Inge? Du weißt doch, was dich erwartet, wenn dich einer der Pauker beim Qualmen erwischt! Ich hab damals von der Alten ganz schön den Arsch vollgekriegt! Frau Doktor Streich verhaut dir mit dem Stöckchen den Hintern, dass dir Hören und Sehen vergeht.
Wenn du paffen willst, solltest du woanders hingehen. Auf dem Internatsgelände steck ich mir jedenfalls keine Zigarette mehr an! Mach den Glimmstängel lieber aus, bevor dich noch einer sieht.“
Inge grinste. Sie fand Käthes Vorsicht leicht übertrieben. Inge rauchte an diesem Platz, seit sie auf das Schlossinternat Ruteberg gewechselt hatte. Klar, man musste schon aufpassen, um nicht erwischt zu werden, aber Inge hielt sich für ziemlich schlau. Sie würde gewiss nicht den Hintern hinhalten müssen! Inge drückte die Zigarette aus, wickelte den Stummel in ein Stückchen Papier ein. Das hübsche Mädchen steckte sich einen Drops in den Mund. Sie umarmte Käthe, die noch immer recht skeptisch dreinschaute. Inge flüsterte ihr etwas ins Ohr. Käthe hörte staunend und mit offenem Mund zu. Ihre Busenfreundin verfügte über ein gesundes Selbstbewusstsein.
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