Yoga

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Lys lief die breite Straße entlang. Sie war auf einer Suche, die ihr selbst galt und sie hoffte, sie würde an diesem heißen Julinachmittag enden. Bekannte hatten ihr eine neue Yogaschule empfohlen, die sich von allen anderen unterschied. Bisher hatte ihre Suche sie hin- und hergeworfen und ihr auf ihre Fragen doppelt oder dreimal so viele Antworten gegeben, wie sie gesucht hatte, und keine war wahr gewesen. Lys war klein und zierlich und trug einen blauen Rucksack mit ihren Yogasachen auf dem Rücken. Ihr dunkles Haar war in der Mitte gescheitelt und fiel lang auf ihre Schultern hinab. Sie bog in einen Hinterhof ab und entdeckte schon von weitem das blau bemalte, flache Gebäude, in dem der Yogaunterricht stattfand. Als sie näher heranging, bemerkte sie, dass das Haus mit bunten Schlangen und indischen Gottheiten bemalt war, von denen einige ihr die Zunge herausstreckten. Zögernd trat sie durch die niedrige Tür, über der ein rosafarbener Lotus prangte. Aus einem der Räume erklang eine seltsam langgezogene Musik, die Lys leicht betäubte. Das höhlenartige Innere des Flachbaus war mit dicken orientalischen Teppichen ausgelegt und unterschied sich sehr von den gewöhnlichen Turnhallen, in denen Lys bisher Yogastunden genommen hatte. Beklommen blieb Lys vor einem hohen Spiegel stehen und sah sich kurz an, bevor sie die Fotografien von verschiedenen indischen Gurus, die auf einem Regal standen, betrachtete. Ein süßlicher Geruch von Räucherstäbchen hüllte sie ein und machte sie leicht schwindlig. Die fremdartige Atmosphäre überwältigte Lys und fast wollte sie umkehren, als sich eine Tür öffnete und eine Frau mit langen Zöpfen erschien. Sie bedeutete Lys einzutreten. „Ich bin neu…“, flüsterte Lys zaghaft.

Die Frau packte sie am Unterarm und zog sie in den Übungsraum. Mehrere Schüler bildeten einen Kreis und beugten die Köpfe tief über ihre gestreckten Beine.

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