Zauberberg

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Leif Larsson

Zunächst konfrontierten große, in verschiedenen Winkeln angebrachte Spiegel Teresa mit einer verwirrenden Vielzahl ihrer Ebenbilder. Sieh sah sich von der Seite, von schräg vorne oder von schräg hinten. Parallel angebrachte Spiegel projizierten eine scheinbar unendliche Zahl von imaginären Teresa-Klonen. Blickte sie nach oben, schien es, als sähe sie in Wirklichkeit auf sich selbst herab. Umgeben von ihren zahllosen Abbildern, die sich zudem gegenläufig und antiparallel bewegten, fiel ihr die Orientierung zunehmend schwerer. Mit jedem Meter, den sie vorsichtig weiter in das Innere des gläsernen Irrgartens vordrang, änderte sich die Form und Größe der Spiegel. Drei-, vier- und mehreckige Spiegelfacetten unterschiedlicher Größe waren asymmetrisch und in verschiedenen Winkeln zu einem riesenhaften kristallinen Gang aneinandergefügt und erzeugten ein ungeordnetes, sinnverwirrendes Kaleidoskop aus unzähligen Körperteilen, die sich dem überwältigten Auge zudem aus den ungewöhnlichsten Blickwinkeln präsentierten.

Teresa zuckte erschreckt zusammen, als unvermittelt die Beleuchtung erlosch. Sie rührte sich nicht von der Stelle und bemühte sich, ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Langsam nahm sie den diffusen Schein wahr, der von den Hunderten von Spiegeln verbreitet wurde.
„Raul?“ rief sie halblaut in die halbdunkle Stille hinein.
„Folge einfach dem Lichtschein!“ hörte sie seine Stimme, die von irgendwoher an ihre Ohren drang.
Zögernd bewegte Teresa sich eine verwinkelte Rampe hinauf. Plötzlich tauchten in einigen Spiegeln kleine, flackernde Lichtpünktchen auf, die sich bei näherem Hinsehen als Kerzenflämmchen erwiesen. Mit jedem Schritt wurden es mehr und bald erfüllte ihr durch hundertfache Reflexion vermehrtes Licht das spiegelnde Labyrinth und ein angenehmer Duft nach Vanille verdrängte den profanen Geruch des Reinigungsmittels.

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