Zehn Frauen

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Zehn Frauen

Zehn Frauen

Anita Isiris

S. ist eine typische Agglomerationsgemeinde. Sie könnte sich im Randbezirk einer jeden Schweizer Grossstadt befinden. Ländlich, aber nicht genug, um rural zu sein – städtisch, aber nicht genug, um urban zu sein. Depressive Mittelschullehrer um die Vierzig siedeln sich hier an, mit ihren Kleinfamilien, und bewohnen Reiheneinfamilienhäuser aus den späten 1980er Jahren. Hohlwangige ex-68er findet man – die sind in einer Zeit zugezogen, als hier noch Land war. Unberührtes, saftiges, nach Kuhfladen stinkendes Schweizer Bauernland. Und, ja, hier, genau hier, hat sich vor fünf Jahren Barbaras Damenriege angesiedelt.

Eine „Riege“ in helvetischem Sinne ist ein „Verein“ im allgemeinen, ein „Turnverein“ im speziellen. In der Mädchenriege üben Kinder einmal die Woche an Ringen, mit Bällen und an Klettergerüsten, in der Knabenriege wird gefussballt, die Männerriege frönt dem Volleyball. Die Damenriege, jetzt aber alle Achtung, frönt der Erotik. Nö, zugeben würde das keine. Fast alle sind sie Familienmütter, mit mindestens einem Töchterchen oder einem Sohn, alle sorgen sie dafür, dass für den Herrn des Hauses mindestens ein gekühltes Bier im Schrank steht. Sie jonglieren Bälle zu Musik von Abba und Taylor Swift, sie lassen bunte Ringe um ihre appetitlichen Hüften kreisen, und sie tragen an den Turnfesten im Bierzelt billige, fluoreszierende, ultraknappe und supernuttige Kleidchen – violett, pink, hellblau oder so.

Oh ja, und sie haben Fantasien, diese Frauen. Gerade dieses spiessige Niemandsland, diese Nobodies von Männern an ihrer Seite, dieses „es-fast-schaffen-aber-doch-nie-ganz“ macht sie zu spitzen, geilen, frechen Hühnern. Die Damenriege in J. besteht aus zehn Frauen zwischen 18 und 35. Sie einigen sich jeweils unter der Aegide der charismatischen und gut gebauten Barbara auf ein Festprogramm, das jährlich im Schlosspark zu sehen ist.

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