Zentai

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Johannes Seilmann

Ich hatte heftiges Herzklopfen. Noch während ich aus dem Auto stieg und die letzten Schritte vom Parkplatz zum Haus ging, überschlugen sich meine Gedanken. Was tat ich hier grade? Sachlich betrachtet, war ich auf dem Weg zu einem Club, der im Internet Zentai-Parties inserierte. Ich hatte ein bisschen im Gästebuch auf der Homepage geschmökert, die Einträge hatten eine gewisse, sympathische Grundstimmung, nicht so den Schmuddel, den ich befürchtet hatte.
Ja, und dann hatte ich ihr den Vorschlag gemacht, ob wir uns nicht dort treffen sollten. Es lag auf halbem Weg zwischen unseren weit voneinander entfernten Wohnorten. Ich musste verrückt sein. Und es kam noch verrückter, denn sie hatte tatsächlich zugesagt. Vor ein paar Wochen hatte ich ihr einen Internetshop mit Zentais genannt und wir hatten verabredet, uns beide einen zu bestellen. Ich hatte meinen gleich nach der Lieferung anprobiert und er passte. Natürlich war er ein kleines bisschen zu lang. Das war ich gewohnt und es war so wenig, dass es dem Aussehen keinen Abbruch tat.
Das Gefühl ganz von diesem dünnen Stoff umgeben zu sein, war allein schon erregend. Nichts zu tragen als diese glatte, zweite Haut. Jede Bewegung war auf dem Körper zu spüren. Und die Sicht war durch den Stoff zwar möglich, aber doch sehr schemenhaft. Wie musste es erst sein, wenn Hände darüber streichelten? Ihre Hände? Ich hatte einen Anzug mit einem Schrittreißverschluss bestellt. Denn, wenn es dazu kommen sollte, dass wir uns ganz nah kommen wollten, dann sollte dem nichts im Wege sein. Ob sie das auch getan hatte, wusste ich nicht. Ebenso wollten wir uns gegenseitig nicht verraten, in welcher Farbe der Anzug war, denn es würde der Reiz sein, nur anhand von Figur, Größe und Ausstrahlung herauszufinden, wer sie denn war. Auch sie wollte das versuchen. Ein völlig verrücktes Experiment.
Mein Zentai lag in meinem Rucksack, ebenso die paar Sachen, die ich noch mitnehmen wollte. Handtuch, Duschzeug. Eigentlich sollte der Club alles stellen, so war es angekündigt. Duschgel, Kondome, Sexspielzeug, alles, was man zu einer lustvollen Nacht brauchen würde. Aber man wusste ja nicht, ob solche Werbeversprechen auch gehalten wurden.

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