Michael und Andreas waren mit der Erklärungen ihres Vaters überfordert. Sie wurden schwierig, reagierten in ihrer Hilflosigkeit mit Destruktivität, kaputte Scheiben, abgebrochene Autoantennen, Prügeleien in der Schule waren schnell die Folge. Wir mussten unsere schwierigen Verhältnisse lösen, Ruhe in die Familie bringen, der Kinder wegen und auch für uns selbst. So fiel ausgerechnet mir die Rolle zu, vermittelnd zu wirken, Verständnis für den Vater zu wecken, denn meine kleinen Ritter ergriffen Partei für mich. Johanna wurde gequält von der vermeintlichen Pflicht, sich entscheiden zu müssen, schwer, denn als Stiefvater hatte sie ihn nie empfunden. Aber diese Aufgabe half auch mir, einen Rosenkrieg in irgendeiner Form wollte ich nicht. Ich musste meinen Standpunkt finden, er jedenfalls war mir keine Hilfe.
Verbissener als sonst rannte ich frühmorgens durch den Park, aber die frische Luft, das Pulsieren des Lebens in meinem Körper, das Gefühl, Kräfte in mir mobilisieren zu können, brachte meinen Lebenswillen wieder nach oben. Ich wollte mich der Herausforderung stellen, und wenn es sich nicht wieder einrenken ließ, was ja noch nicht abschließend geklärt war, wollte ich eine Lösung finden, die meinen Kindern keine allzu chaotischen Familienverhältnisse beschert. Die Villa war groß genug mit ihren drei Stockwerken. Das Dachgeschoß war dem Grunde nach zur Wohnung ausgebaut, aber nur vollgestellt mit einigen der üblichen Fitnessgeräte, Folterwerkzeuge, zwischenzeitlich überwiegend ungenutzt von ihrem Erwerber. Ich zog ohnehin das Laufen und eine konsequente, von Ausstattung unabhängige Gymnastik vor. Für diesen Krempel war der Heizungskeller gut genug. Wenn er wirklich etwas gegen seinen Bauchansatz tun wollte – wer weiß, wozu junge Liebe sonst noch animiert – konnte er das auch dort tun.
Ich zog nach oben und ging Jacqueline und ihm aus dem Weg. Für meine Kinder war ich aber immer schnell erreichbar, denn ihren Wohnbereich nutzte ich ja weiter. Sein Refugium wollte ich meiden, denn sie würde hier ja regelmäßig verkehren, in jeder Bedeutung des Wortes. Für mich selbst war es nicht einfach, sie ein Stockwerk tiefer, in den Räumen zu wissen, die bis vor kurzem noch meine langjährige Heimat waren. Aber dieses Gefühl kannten ja viele getrennt Lebende und noch waren die Dinge nicht so klar, wie sie schienen. Er stand öfter vor meiner Tür als er in den Monaten davor in meine Hälfte des Ehebettes gefunden hatte, und er fragte nicht nach Butter, Mehl oder Eiern, er wollte mich.
Die ersten Male hatte ich noch verkniffen und etwas getroffen das Weite gesucht, wenn ich sie in der unteren Wohnung antraf, weil ich noch Wäsche der Kinder einsortierte oder nach ihren Hausaufgaben gesehen hatte. Ich wollte Alberts nun neu definierte Privatsphäre zwar achten, aber wir waren übereingekommen, dass ich mich nicht wie eine ungeliebte Nachbarin verhalten müsste. Ich hatte nicht vermutet, dass sie hier wäre, ich hatte Albert wegfahren hören und angenommen, es sei niemand zu Hause.
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Tinas Geschichte - Teil 21
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