Sie stellte mir das Glas vor die Nase und sah mir dabei zu, wie ich den ersten Schluck nahm.
„Gut so?“, fragte sie freundlich und ich nickte.
„Wenn was ist, ruf mich, ich bin die Anke, ganz einfach!“, verriet sie mir, wischte geschäftsmäßig mit einem Lappen über den Tresen und ging zu ihrem vorherigen Platz zurück. Dort hatte sie eine der Tresenstühle hingestellt und setzte sich halb darauf, mit einem Bein am Boden. Sie unterhielt sich mit einem der beiden Männer vor sich, worüber, konnte ich nicht hören, interessierten nicht. Die Probleme anderer Menschen konnten sie gerne behalten und wollte ich nicht zu meinen eigenen machen.
Daher nuckelte ich an meinem Drink, stellte schnell fest, dass die Luft um mich herum trocken war. Kaum hatte ich das Glas in der Hand, war der Inhalt verdunstet. Also musste Nachschub her. Als Anke kurz zu mir sah, winkte ich ihr zu und deutete an, dass ich nachgeschenkt haben möchte. Sie stand sofort auf, schnappte sich die Flasche und kam zu mir herüber.
„Darf es ins selbe Glas oder möchtest du ein Neues?“, fragte sie freundlich, sollte heißen, sie hatte keine Lust darauf, ein Weiteres schmutzig zu machen. Ich verstand es, fand es sogar besser, was sie mir anbot.
„Lass die Luft einfach aus dem Glas!“, meinte ich und zeigte auf das vor mir Stehende.
„Oh ha, so dringend?“, fragte sie freundlich und ich wiegte meinen Kopf hin und her.
„Eigentlich nicht. Aber es schmeckt heute. Das muss ich ausnutzen!“, war ich mir sicher und es stimmte sogar.
„Na denn. Schön, dass du da bist!“, sagte sie und schenkte einen halben Fingerbreit mehr ein als zuvor. Ich sah es mit wohlwollen, Anke nickte mir zu und verschwand mit der Flasche.
Ich fand es zu still in der Bar, sah mich daher um und entdeckte eine alte Musikbox in der Ecke, nahm mein Glas und schlenderte herüber, blätterte die Scheiben durch, die seit langem ihre besten Tage hinter sich hatten. Wer Oldies mochte, war hier gut aufgehoben. Also warf ich eine Münze ein, fand Titel, dir mir zusagten und tippte sie ein. Zufrieden mit meiner Auswahl, ging ich zurück an den Tresen und setzte mich hin, schaute in das Glas, sah dabei zu, wie die bernsteinfarbene Flüssigkeit hin und her schwappte.
Zugfahrt
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