Und wieder einmal stand ein Besuch bei meiner Familie an. Voller Grauen dachte ich an die fast 5 Stunden Zugfahrt, die vor mir lagen, aber mit Discman und einem Packen Arbeit war ich eigentlich bestens gewappnet. Nach ein paar wenigen Stationen mit dem Bummelzug konnte ich dann endlich in den ICE umsteigen und ärgerte mich wieder einmal über die Ignoranz der Menschen, insbesondere der Männer. Als wenn die Gänge zwischen den Sitzreihen noch nicht schmal genug wären, wurden da neben Taschen und Koffern auch noch der halbe Oberkörper verstaut, damit auch ja keiner vorbeikam. Mit großer Mühe kämpfte ich mich mit meinen Taschen vorwärts und fand tatsächlich auch noch einen Platz. Nachdem ich ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, ging es mir auch wieder besser und der Puls hatte sich normalisiert. Mit den Kopfhörern im Ohr, die mich mit beruhigender Popmusik aus vergangenen Jahrzehnten versorgten, machte ich es mir bequem und schaute mich dann ein wenig im Zug um.
Ich liebte es, fremde Menschen zu beobachten, ihre Mimik, Gestik und Stimme aufzunehmen und in meinem Kopf wirbelten die Eindrücke herum. Da ich die Musik nur leise laufen ließ, drangen immer ein paar Gesprächsfetzen meiner Mitreisenden in meine Ohren. Eine warme, männliche Stimme ließ mich aufhorchen. Mit meinen Augen suchte ich das Großraum-Abteil ab und versuchte den Menschen zu der Stimme zu finden. Nach ein paar Fehleinschätzungen hatte ich ihn dann gefunden und mein Herz machte einen kleinen Sprung. Meine Augen schauten in ein wunderschönes paar blauer Augen, die mich anlächelten, wie es mir schien. Das Leuchten und Funkeln, das von ihnen ausging, zog mich in ihren Bann. Es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder gefangen hatte und in das Gesicht schaute, das zu diesen Augen gehörte. Was ich zu sehen bekam, gefiel mir. Der Typ war ungefähr so alt wie ich, also Mitte 20, hatte dunkle Haare und trug weder Bart noch Brille oder irgendwelche unpassenden Piercings. Er war vielleicht nicht der Typ, der im Allgemeinen als Beau bezeichnet wird, aber er gefiel mir. Sein Mund war ständig zu einem Lächeln geformt und zusammen mit seinen Augen wirkte das äußerst charmant, warmherzig und irgendwie auch sexy.
schreibt Amorelio