Noch drei Mal zuckte die Wespe mit dem Hinterleib. Dann schied sie dahin.
Wespen sind ausgesprochen hinterleibsbetonte Wesen. Sie entziehen sich unserer Sympathie, weil sie uns Menschen so ähnlich sind. Uns Frauen. Uns Frauen mit Wespentaille. Im Grunde gehört die Bezeichnung “Wespentaille” auf den Abfallhaufen der Geschichte. “Wespentaille" klingt nach eingezwängtem Frauenkörper, eingezwängt in ein formbetonendes Korsett. “Wespentaille” klingt nach oberflächlicher Atmung, damit Mann uns geil findet und möglicherweise wieder zu Leben erwecken kann, wenn wir bewusstlos dahin sinken.
Ich kurvte meinen Fiat Cinquecento elegant in die Parklücke und erklomm die steile Treppe, die an Buchsbäumen, Flieder und Clematis vorbei zum Hauseingang führte. “Donnerwetter”, dachte ich mir, wie jedes Mal, wenn ich an den üppigen Forsythien entlang ging. “Donnerwetter, so möchte ich auch mal leben.” Vermutlich war das rosa Sommerkleid, das ich trug, etwas zu gewagt für diesen Anlass – ein harmloses Treffen mit einem mir nahe stehenden Ehepaar. Sie hatten mich zu Grillwürstchen, Tomaten und Mozzarella eingeladen. Wenigstens mein Höschen war ebenfalls rosafarben, das Kleidchen alles andere als blickdicht. Ich kannte Bernds durchdringenden Blick. Doch, doch, er liebte seine Doris. Aber in seinem Kopf tobte womöglich ganz was anderes. Im Grunde war Bernd ein attraktiver Mann, und, oh ja, er war leidenschaftlich. Ich wusste, was er an mir mochte: Meine Wespentaille. Doris, seine geliebte Doris, verfügte über eine ebensolche – aber im Gegensatz zu mir war sie scheu und zeigte sich nicht gern. Im rosa Kleidchen, das ich an jenem Abend trug, wirkten meine Brüste grösser, als sie in Wirklichkeit waren. Dabei trug ich noch nicht mal BH.
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