Vorbei an gepflegten Gräbern mit schmückenden Grabsteinen. Es erschreckt mich, wie wenig Information von einem übrig bleibt, wenn der Weg zu Ende ist. Ein Name, zwei Daten und vielleicht noch ein kleiner Bibelvers. Mehr ist es nicht, was die Nachwelt an die Person erinnert. Nur die Angehörigen wissen, welchen Verlust sie erleiden mussten. Alle anderen gehen achtlos an den Gräbern vorbei.
Die Rasenfläche ist frisch gemäht. Sorgfältig aufgereihte Steinplatten unterbrechen das saftige Grün. Manche in traurigem Schwarz, andere in etwas hellerem Anthrazit. Mal ist es goldene Schrift, oder in kontrastreichem Weiß, andere sind in hübschem Silber beschriftet.
Tina Stolberg *17.08.1981 †24.06.2021 In stillem Gedenken
Mehr Information passte nicht auf den Stein mit den gebrochenen Kanten. Selbst dieses bisschen Text war schon fast zuviel. Ein Grablicht steht oben rechts an der Ecke des Granits, es leuchtet und wirft flackerndes Licht auf die Schrift.
Auf Knien hockend bete ich ein paar Zeilen, die noch vom Konfirmandenunterricht hängen geblieben sind.
Ich zittere am ganzen Körper und die Tränen werden vom leichten, warmen Wind getrocknet. Die wenigen, die es bis ins Gras schaffen, verschwinden sofort. Hätte ich jetzt ein Messer … dieses Mal wüsste ich besser, wie ich ‚es‘ anstellen müsste. Den dummen Fehler mache ich nicht wieder.
Ich erzähle Tina von Frau Doktor, von ihrer Ähnlichkeit zu ihr und von ihrem Rauswurf, weil ich ihrem Ex so ähnlich sehe.
Ich weiß nicht, ob es der Sonnenstrahl ist, der mich plötzlich blendet, oder eine andere, höhere Macht, die mich aufstehen lässt. Meine Fäuste sind so sehr geballt, dass die Fingernägel weiß sind. Nein, mein Lieber, so schnell gebe ich nicht auf! Und du da oben … du hast mir meine Frau schon viel zu früh aus den Armen gerissen. Mich bekommst du noch nicht!
„Bis bald mein Schatz.“, flüstere ich in Richtung der Granitplatte.
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